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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
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mehr als einmal gestalkt worden, was |48| in einer Kleinstadt besonders unangenehm sein kann. Letzten Sommer war es ein Tubaspieler aus Albuquerque, der bei den Sommerkonzerten mitspielte und sich auf den ersten Blick wahnsinnig in sie verliebt hatte. In mich hatte sich noch nie jemand auf den ersten Blick verliebt, und so fand ich die ganze Sache ziemlich albern.
    Außerdem ist Kate ein Mensch, der sich immer an die Regeln hält. Sie würde entschieden erklären, man müsse einen heimatlosen Jungen den Behörden melden. Ich hoffte, es ihr auszureden, gefallen würde es ihr aber nicht.
    Also erzählte ich ihr, Paul sei der Sohn einer kanadischen Freundin und versehentlich in den See gefallen. Ich deutete an, es habe sich um einen Kanuunfall auf dem benachbarten Mirror Lake gehandelt. Ich wolle die Kosten für die Krankenhausuntersuchung sparen, da man seine kanadische Krankenversicherung hier nicht akzeptiere. Ich log mit keinem Wort, sondern deutete all das nur an.
    Sie glaubte alles, worauf ich ein schlechtes Gewissen bekam. Kate mag zwar ein bisschen leichtgläubig sein, ist aber eine fähige und einfühlsame Krankenschwester. Sie beruhigte Paul und bestürmte mich mit Fragen: Wie lange war er im Wasser gewesen? Wie hatte ich ihn versorgt? Hatte er gegessen und geschlafen?
    Sie steckte ihm ein altmodisches Fieberthermometer in den Mund, zog die Lider hoch, um die Pupillen zu prüfen, schaute in seine Ohren und hörte ihn ab.
    »Er scheint in Ordnung zu sein. Vermutlich nur müde. Und es sieht aus, als hätte er nicht genug gegessen; er ist ein bisschen mager.«
    Paul, der während der ganzen Untersuchung ruhig geblieben war, schaute mich an.
    »Sie sagt, du musst mehr essen«, erklärte ich ihm mit todernster Miene. »
Il faut que tu manges beaucoup de bonbons et de gâteau.
«
    |49| Einen Augenblick lang sah er verwirrt aus und stieß dann ein helles, trillerndes Lachen aus. Eine Welle des Glücks durchflutete mich, so heftig, dass es mich selbst überraschte.
    Als ich Kate zur Tür brachte, fiel mir ein, was Baker beim Abschied leise zu mir gesagt hatte: »Häng dein Herz nicht zu sehr an den Jungen, Troy.« Sie glaubt, dass meine Pension ein Ventil für unterschwellige Muttergefühle ist und ich gerne die Mama meines Männertrupps bin, obwohl die Jungs nur ein paar Jahre jünger sind als ich. Ich sage dann immer, dass ich einfach auf muskulöse Kerle stünde. Aber es stimmt, dass ich als Einzige von uns Schwestern unverheiratet und kinderlos bin. Und es stimmte auch, dass ich diesen Jungen sehr lieb gewonnen hatte.
    Ich schaute zu ihm hinüber, wie er so auf der untersten Treppenstufe saß und mich aus dunklen Augen unter langen Wimpern anschaute. Diese Augen hatten Dinge gesehen, die kein Kind sehen sollte – vielleicht auch das Gesicht des Menschen, der ihn in den See geworfen hatte. Mich überkam ein heftiges Gefühl, das ich nicht benennen konnte.
    »So, jetzt fangen wir mit der medizinischen Behandlung an.
Aimes-tu la glace?
Magst du Eis?«
    Seine Augen leuchteten. »Na los«, sagte ich und öffnete die Haustür. »Drüben bei Stewart’s wartet schon ein Eis auf dich.«

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    Es hat Vor- und Nachteile, wenn ein Stewart’s Minimarkt nur einhundertvierundvierzig Schritte von der eigenen Haustür entfernt liegt. Natürlich ist es praktisch, wenn man Milch oder Eier braucht, aber man gerät auch ständig in Versuchung, sich ein Eis zu kaufen.
    Nach sorgfältiger Überlegung deutete Paul auf den Behälter mit Erdbeereis, und ich nahm das Übliche, Schokolade-Erdnussbutter. Er leckte seine Waffel fein säuberlich ab, während Tiger uns flehend anschaute. Doch nicht einmal ich teile mein Eis mit einem Hund, obwohl ich vermute, dass eine meiner Freundinnen ihm sogar ein eigenes kauft, wenn ich nicht dabei bin.
    »Schmeckt’s?
C’est bon, la glace?
« Paul nickte und jagte mit der Zunge den Tropfen hinterher. Es hätte ein ganz normaler Tag sein können, an dem ich in der Nachmittagssonne ein Eis mit einem kleinen Jungen aß, der zufällig zu Besuch gekommen war.
    Nun ja, wenn ich ihm Eis kaufte, brauchte er auch eine Zahnbürste.
    »
Tu veux venir au magasin avec moi?
« Ich deutete die Straße entlang. Er nickte wieder, und wir gingen das kurze Stück bis zum Drogeriemarkt an der Main Street. Tiger wartete geduldig vor der Tür und ließ sich von Touristen bestaunen, die anscheinend noch nie einen Hund gesehen hatten. Jedenfalls keine so prachtvolle Mischung aus Schäferhund und Retriever.
    Ich kaufte

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