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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
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    Mike stellte sich vor und ergriff die Initiative. »Zuerst benachrichtigen wir die Polizei. Ich rufe Jimmy Dupuis auf der Wache an. Dann kann er Anweisung geben, dass alle die Augen offen halten, auch die Nationalgarde.«
    Dumond nickte. Normalerweise hält sich Mike im Hintergrund und lässt Baker die Dinge regeln, aber wenn es um Notfälle geht – wie damals, als Mike junior einen Baseball an den Kopf bekam und das Blut wie ein Geysir sprudelte   –, wird er aktiv, und zwar richtig.
    Wir schlossen die Kamera an den Computer an. Ich suchte die besten Aufnahmen von Pauls Gesicht aus, retuschierte die anderen Kinder weg und druckte mehrere Exemplare aus. Eines schickte Mike per E-Mail an seinen Freund auf der Polizeiwache. Dieser erklärte, man könne noch keinen AMBE R-Notruf starten, weil Paul auch auf eigene Faust davongewandert sein konnte. Holly und ihr Ehemann Tom kamen dazu und scheuchten die Kinder ins Wohnzimmer, wo sie sich einen Film ansehen durften.
    Mike breitete eine Karte von Saranac Lake auf dem Küchentisch aus. »Phil und ich übernehmen diesen Abschnitt.« Er markierte die Straßen mit einem roten Stift. »Tom und Holly diesen.« Das Gebiet wurde blau markiert. »Troy kann die unmittelbare Umgebung zu Fuß absuchen und bei den Nachbarn nachfragen. Susan bleibt hier, falls Paul zurückkommen sollte, und kann uns allen Bescheid geben, sobald er gefunden wird.«
    |83| Einen Moment lang fragte ich mich, wer Susan war, dann erinnerte ich mich: Es war Bakers Vorname.
    Ich suchte über eine Stunde, klopfte an Türen und spähte in Gärten.
Entschuldigung, haben Sie einen kleinen Jungen gesehen, der etwa so groß ist und so aussieht?
Ich versuchte, Panik und Verzweiflung zu unterdrücken, sah aber nur drei Möglichkeiten: Paul hatte sich verirrt, Paul war weggelaufen, Paul war entführt worden. Eins, zwei, drei. Und alle drei schlecht. Nachdem ich die Nachbarschaft abgeklappert hatte, ging ich kurz bei Baker auf die Toilette. Mein Herz hämmerte, und ich hatte ein flaues Gefühl im Magen. Die Küchentür knarrte, als ich eintrat, und Baker blickte auf.
    »Wann hast du zuletzt was gegessen?«, wollte sie wissen.
    »Zum Frühstück.« Sie zeigte auf den Tisch, und ich holte mir einen Stuhl. Nach wenigen Minuten standen ein überbackenes Sandwich mit Käse und Tomaten und eine dampfende Tasse Earl Grey vor mir.
    Ich wurde die Angst einfach nicht los, dass ich das Wunder, das mir zuteilgeworden war – dass ich Paul das Leben gerettet hatte   –, zunichtegemacht hatte, indem ich nicht gut genug auf ihn aufpasste. Ich musste mühsam die Bilder verdrängen, die mir in den Sinn kamen: seine Leiche in einem der nahe gelegenen Seen. Es wäre so einfach, angeblich die Aussicht zu genießen und dabei ein kleines Bündel ins Wasser zu werfen. Und diesmal würden sie dafür sorgen, dass er vorher bewusstlos oder schon tot war.
    Baker schien meine Gedanken zu lesen. »Es ist unwahrscheinlich, dass jemand ihn mitgenommen hat, Troy. Die anderen Kinder hätten es gesehen, ein fremdes Auto bemerkt. Außerdem hätte dir derjenige heute Morgen hierher folgen müssen, und das hättest du sicher gemerkt.«
    Sonst neigt Baker eigentlich nicht zu Plattitüden, doch für mich klangen ihre Worte danach, und ich schüttelte den Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er einfach wegläuft. Er ist |84| in meiner Nähe geblieben, seit ich ihn gefunden habe. Allein hätte er sicher Angst gehabt. Und er hatte keine Ahnung, wo ich bin oder was ich mache.«
    Nun schüttelte Baker den Kopf. »Vielleicht doch.« Sie trank einen Schluck Tee und verzog das Gesicht. Vermutlich hätte sie lieber einen Schluck Jack Daniel’s gehabt – ich bringe ihr immer eine Flasche mit, wenn ich nach Tennessee fahre. Auch wenn man ihn natürlich auch hier kaufen kann. »Als wir telefoniert haben, kamen die Kinder in die Küche, um was zu trinken. Mir war nicht klar, dass Paul mich vielleicht verstehen könnte oder dass   –«
    »–   er vor seinem Vater davonlaufen würde«, beendete ich den Satz. Nachdenklich biss ich in mein Sandwich. »Ich glaube nicht, dass Dumond etwas mit der Entführung zu tun hat, aber ich bin mir nicht sicher, ob Paul das weiß. Keine Ahnung, was die Kidnapper ihm gesagt haben. Und er kam sich womöglich verlassen vor, weil ihn sein Vater nicht gerettet hat.«
    Ich hätte Paul nie allein lassen dürfen, war mir aber auch nicht sicher, was ich sonst hätte tun sollen. Seit ich ins Wasser gesprungen war, konnte ich

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