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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
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und dabei ein Kind verloren, das mir nie gehört hatte. Ich hatte ein Loch in Dumonds Leben gefüllt und gleichzeitig eines in mein Leben gerissen. Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich davon geträumt hatte, Paul zu behalten, ihn zu beschützen, zu lieben und aufwachsen zu sehen.
    Der Weg nach unten war lang, und Dumond trug seinen Sohn, während ich mit den Taschenlampen leuchtete. Unten wartete Baker, wie immer geduldig, ruhig und einsatzbereit. Ich fiel ihr wortlos in die Arme. Vermutlich hatte ich vergessen, dass ich nicht zu Gefühlsäußerungen neige. Baker drückte mich an sich und klopfte mir auf den Rücken, bevor sie mich losließ und ein Signal mit dem Horn gab. Sie wusste, was ich gefunden und wieder verloren hatte.
    Dann wandte sie sich an Paul. »Hey, kleiner Mann. Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.« Sie fuhr ihm durchs Haar und wickelte ihn in eine Decke, während sein Vater ihn auf dem Arm hielt. Die anderen kamen vom Hügel heruntergelaufen, müde, aber hochgestimmt. Wir holten alle Kinder bei Holly ab und kehrten zurück zu den Bakers. Mike rief das Revier in Saranac Lake an, und Dumond telefonierte ebenfalls, vermutlich mit der Polizei in Ottawa.
    Es war eine verrückte Feier: Elf Erwachsene, von denen sich die meisten vorher nicht gekannt hatten, und acht Kinder drängten sich bei Mike und Baker in der Küche. Wir waren müde und schmutzig, und uns war schwindlig vor Freude. Baker |90| stellte Sandwiches, Chips, Kekse, Bier und Limo auf den Tisch, und selbst sie schien zu staunen, wie viel meine Mitbewohner essen konnten. Ich musste dreimal erzählen, wie Tiger Paul gefunden hatte. Paul kuschelte sich in die Arme seines Vaters und warf kleine Brocken auf Englisch und Französisch ein, die alle zum Lachen brachten. Mike junior und Jack waren stolz, weil sie uns von der Höhle erzählt hatten. Dass sie Paul überhaupt erst auf die Idee gebracht hatten, spielte keine Rolle.
    Niemand wusste, weshalb Paul sich so weit weg vom Haus versteckt hatte. Als sie ihn fragten, ob ihm jemand Angst gemacht hätte, zuckte er nur mit den Schultern. Vielleicht hatte er nach einem tollen Versteck gesucht. Oder sich vor der Begegnung mit seinem Vater gefürchtet. Es war jetzt auch egal. Dumond hielt ihn in den Armen. Er wirkte furchtbar müde, aber um Jahre verjüngt, ein völlig anderer Mann als der, dem ich heute Morgen begegnet war. Schließlich brachte Baker ihren jüngsten Sohn ins Bett. Die beiden Kleinen von Holly waren schon auf dem Sofa eingeschlafen.
    Ich sah auf die Uhr: Viertel nach zehn. Unglaublich, dass ich erst heute Morgen aus dieser Küche gegangen und nach Ottawa aufgebrochen war. »Ich muss nach Hause«, sagte ich in einer Gesprächspause und stand auf. Dann schaute ich Dumond an. »Sie können bei mir übernachten.« Ich war zu müde, um besonders höflich zu klingen.
    Er nickte. Zach, Dave und Patrick standen ebenfalls auf und nahmen sich noch ein Sandwich für unterwegs mit.
    Wir packten unsere Taschen in den Mercedes und verstauten Paul mitsamt Tiger auf dem Rücksitz, wo er prompt einschlief. Ich lotste Dumond aus der Stadt hinaus, nach Lake Placid und die Main Street entlang zu meinem Haus. Noch nie hatte mein klappriges Domizil mit dem abblätternden Anstrich so einladend gewirkt. Dave war schon da, der Motor seines Wagens tickte noch, wie es bei alten Autos manchmal vorkommt.
    Dumond trug seinen schlafenden Sohn nach oben in mein |91| Schlafzimmer. Ich stellte Pauls Tasche ab und schlug die Decke zurück, damit er ihn ins Bett legen konnte. »Sie können hier bei ihm schlafen«, sagte ich und deutete auf die anderen Zimmer. »Da ist das Bad, und es gibt auch noch eins unten neben der Küche.«
    Er schaute sich um. »Das ist doch Ihr Zimmer. Wo wollen Sie denn schlafen?«
    Ich zog einen Schlafsack aus dem obersten Fach des Wandschranks. »Da draußen auf dem Sofa.«
    Er nickte und verzog entschuldigend das Gesicht. Ich war so müde, dass ich kaum noch aufrecht stehen konnte. Ich wollte mich gerade zur Tür drehen, als Dumond zu mir trat. Seine rechte Hand umschloss warm die meine. »Ich danke Ihnen.«
    Es war, als hätte sich ein Schaltkreis geschlossen, als wäre ein Zugang zu meiner Seele frei geworden. Plötzlich wollte ich weinen, ganz lange und heftig. Ich wollte, dass er mich in die Arme nahm, während ich mich ausweinte. Ich wollte um Paul weinen und um all das, was ich verloren oder nie gehabt hatte. Hätte ich ihn angesehen, wäre es mit meiner Beherrschung

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