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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
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spürten die Abendkühle in der Luft. Holly scheuchte alle Kinder ins Haus, wo ihre |87| jüngere Schwester auf sie aufpassen würde. Baker sollte am Fuß des Hügels auf einem Gartenstuhl Position beziehen und Taschenlampen, Batterien, Erste-Hilfe-Koffer, Thermosflaschen, Decken und ein Signalhorn bereithalten. Sie hatte die Sachen in null Komma nichts zusammen. Vermutlich war sie so gut ausgestattet, weil man in einem Haushalt mit drei kleinen Jungen immer auf irgendwelche Notfälle vorbereitet sein musste. Dumond war ungeduldig, wartete aber auf Mikes Anweisungen.
    Holly hatte zwei weitere Nachbarn mobilisiert. Wir würden den Hügel paarweise Zentimeter für Zentimeter absuchen und keine Stelle auslassen, an der sich ein kleiner Junge verstecken konnte. Ich sollte mit Dumond losziehen, wie ich es schon fast erwartet hatte.
    Ich hatte Zach angewiesen, Pauls Kleidung von gestern mitzubringen, und ließ Tiger daran schnüffeln. Ich wusste nicht, ob sie meinen Plan verstand, aber sie kann ein unsichtbares Eichhörnchen in einem Feld aufspüren und eine Erdnuss finden, die unters Sofa gerollt ist. Vielleicht war sie auch in der Lage, einen kleinen Jungen auf einem steilen, überwucherten Abhang zu finden.
    In der nächsten Stunde stapften wir durch tiefes Unterholz. Tiger duckte sich mühelos unter Büschen und Ästen hindurch, während wir uns mühsam weiterkämpfen mussten. Manchmal kroch ich auf allen vieren, die Taschenlampe zwischen den Zähnen. Dann wieder musste ich Tiger rufen, damit sie auf uns wartete. Obwohl es kühl war, lief mir der Schweiß über den Rücken. Ich war mir Dumonds Gegenwart nur allzu bewusst und betete im Stillen wieder und wieder:
Bitte mach, dass wir ihn finden, bitte mach, dass ich mich nicht in seinem Vater geirrt habe. Bitte bitte bitte.
Tiger schnüffelte am Boden, folgte einer Witterung – hoffentlich kein Hirsch oder Eichhörnchen. Wir schienen im Zickzack zu laufen, und manchmal bemerkte ich das hüpfende Licht einer anderen Taschenlampe. So viel zu Mikes Plan, in gerader Linie vorzurücken.
    |88| Dann schoss Tiger in ein dichtes Brombeergestrüpp und bellte. Ich kniete mich hin und leuchtete. Im Gestrüpp tat sich eine tunnelartige Öffnung auf, etwa so groß, dass ein kleines Kind hindurchkriechen konnte. Wir beide passten jedoch nicht hinein. Tiger stürzte in die Öffnung. Ich horchte angestrengt. Stieß sie vielleicht gerade einen kleinen Jungen an, leckte und begrüßte ihn? Mein Herz schlug schneller. Dumond hatte meine Schulter umklammert. Er sagte nichts – konnte es vielleicht nicht. Was sollte man auch sagen, wenn man jeden Moment den Sohn zu sehen hoffte, den man für immer verloren glaubte?
    »Paul, Paul«, rief ich leise. »
C’est Troy. Tu es là?
Bist du da?«
    Stille. Ich rief noch einmal: »Paul, komm bitte raus.
Il n’ya rien de dangereux ici.
Du bist in Sicherheit. Komm bitte raus. Paul, Paul, komm, Liebling.«
    Dumond rührte sich nicht, aber ich spürte seine Finger an meiner Schulter. Ein winziges Rascheln, dann noch eins. Sein Griff wurde noch fester. Eine kleine Gestalt kam langsam durch die Öffnung gekrochen, und dann sahen wir Pauls tränenüberströmtes, verdrecktes Gesicht. Gleich hinter ihm kam Tiger, als wollte sie ihn vor sich hertreiben. Ich streckte die Arme aus, und er fiel geradewegs in sie hinein.
    »
Tu es revenue pour moi.
« Ich spürte Dumond neben mir, der am ganzen Körper bebte.
    Mein Herz machte wieder so einen komischen Sprung. Ich klammerte mich an Paul. Spürte den Atem in seinem kleinen Körper, im Gleichklang mit meinem.
    »
Chéri, chéri, chéri «
, flüsterte ich. »
Tu es fou de te cacher.
Es war dumm, sich so zu verstecken.« Dumond musste ein Geräusch gemacht haben, denn Paul hob den Kopf und entdeckte ihn. Sein kleiner Körper versteifte sich. Ich drehte sein Gesicht zu mir und sagte auf Französisch: »Paul, dein Vater ist hier. Er hat sich Sorgen um dich gemacht. Er hat dich sehr vermisst.«
    |89| Im Licht der Taschenlampe wirkte Dumonds Gesicht verhärmt und so aufgewühlt, dass es mir einen Stich versetzte. Paul begann zu zittern. Ich gab ihm einen Schubs, und dann lag er in den Armen seines Vaters, und Dumond murmelte so schnell und leise auf Französisch, dass ich kein Wort verstand. Paul sagte wieder und wieder
»Papa, Papa, Papa
.« Beide weinten, die dunklen Köpfe zusammengesteckt. Ich wich zurück und lehnte mich gegen einen Baumstamm. Ich war völlig erschöpft. Ich hatte Vater und Kind zusammengeführt

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