Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
Vom Netzwerk:
eine Frage wiederholt, damit man nicht willkürlich antwortete, wie mir später jemand erklärte. Genauso kam ich mir jetzt vor, nur war die Befragung noch länger und intensiver als dieser Test, und ich konnte nicht einfach nach Hause gehen, wenn ich keine Lust mehr hatte.
    Dann sagte eine Stimme in meinem Inneren:
Es reicht.
Vielleicht hatte ich impulsiv gehandelt, aber ich hatte immerhin mein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um Paul zu retten. Ich setzte mich aufrecht hin. »Meine Herren, ich habe Ihre Fragen alle mehrmals beantwortet. Jetzt möchte ich entweder gehen oder einen Anruf tätigen.«
    Ich weigerte mich, noch mehr zu sagen, und sie verließen den Raum. Vielleicht hätte ich von Anfang an um einen Anwalt bitten sollen. Allerdings kam es mir vor, als würden nur schuldige Menschen sofort nach einem Anwalt rufen. Jedenfalls in |126| den Fernsehserien. Ich dachte gar nicht daran, dass ich auch die Botschaft hätte anrufen können – man vergisst leicht, dass Kanada ein anderes Land ist.
     
    Die Tür ging auf. Jameson kam herein, ausdruckslose Miene, in der Hand ein altmodisches schwarzes Telefon mit baumelnder Schnur. Er stöpselte es in eine Steckdose, stellte es vor mich hin, zog einen Stuhl heran und setzte sich.
    »Das Telefon.« Seine Stimme war ausdruckslos.
    Es war, als wollte er mich herausfordern, ihn hinauszuschicken, aber mir war nicht nach Spielchen zumute. Sollte er doch mithören. Ich holte die Karte mit den wichtigen Telefonnummern aus meiner Brieftasche. Hoffentlich war mein Bruder im Büro.
    Ich wählte die Nummer. »Simon Chance, bitte. Hier spricht Troy Chance.« Da ich ihn bei der Arbeit anrief, würde Simon wissen, dass es wichtig war. Dann hörte ich seine Stimme: klar, entschieden, ungeheuer tröstlich.
    »Was ist los, Troy?«
    »Simon, ich bin auf einer Polizeiwache in Ottawa«, sagte ich. »Ich habe in New York einen kleinen Jungen gefunden, und es stellte sich heraus, dass er entführt worden war. Ich habe ihn zu seinem Vater gebracht, der hier lebt, und jetzt verhört mich die Polizei schon seit mehreren Stunden.«
    Pause. Simon erinnerte sich gewiss an unser früheres Gespräch. Er würde sauer sein, mir aber verzeihen. »Wirft man dir etwas Konkretes vor?«
    »Nein. Jedenfalls haben sie nichts gesagt. Aber ich bin müde und hungrig, und ich habe ihnen alles gesagt, was ich weiß. Jetzt möchte ich gehen.«
    Nächste Pause. »Kann ich mit jemandem sprechen?«
    Ich hielt Jameson den Hörer hin. »Mein Bruder möchte mit Ihnen sprechen.« Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, doch er griff zum Telefon.
    |127| Ein Bruder, der ein junger Polizist am Anfang seiner Karriere ist und zudem in den USA wohnt, dürfte eigentlich nicht viel Einfluss haben, doch den hatte er. Simon sprach ausführlich, während Jameson nur knappe Antworten gab, doch als er mir den Hörer zurückgab, wirkte er nicht mehr ganz so distanziert.
    »Troy«, fragte Simon, »wie bald brauchst du mich?«
    »Ach, Si, du musst nicht herkommen   –«
    »Wo wohnst du?«
    »Bei Paul, dem Jungen, und seinem Vater. Sie sind hier in Ottawa zu Hause.«
    Kurze Pause. »Sag mir die Nummer, dann gebe ich dir nachher die Flugdaten durch. Ich habe jede Menge Meilen gesammelt und noch viele Urlaubstage, die ohnehin bald verfallen. Das Ganze kostet mich keinen Cent.«
    Ich nannte ihm Dumonds Namen und Telefonnummer. Ich war Simon etwas schuldig, und wenn er der große Bruder sein wollte, der mich beschützte, auch gut. Außerdem hatte ich mich wirklich aufs Glatteis begeben, und das war noch gelinde ausgedrückt.
    Als ich auflegte, sah mich Jameson an und sagte: »Sie können jetzt gehen, aber wir möchten gerne noch einmal mit Ihnen sprechen.«
    »Kein Problem. Ich werde nicht weglaufen.« Ich war erschöpft.
    Auf dem Weg nach draußen drehte sich Jameson unvermittelt um, holte eine Karte aus der Brieftasche und kritzelte mit einem dicken schwarzen Stift etwas darauf. Dann gab er sie mir. »Falls Ihnen irgendetwas einfällt, rufen Sie mich an. Die Büronummer steht vorne, die private auf der Rückseite.«
    Ich sah ihn verwirrt an.
    Dann wiederholte er mit eindringlichem Blick: »Falls Ihnen irgendetwas einfällt; falls Sie mit mir reden müssen.« Ich war zu müde, um den Sinn seiner Worte zu ergründen, und steckte die Karte ein.

|128| 20
    Dumond und Paul warteten auf den harten Stühlen in der Eingangshalle. Paul spielte mit einer kleinen Plastikfigur.
    »Sie hätten nicht warten müssen«, sagte ich und warf einen

Weitere Kostenlose Bücher