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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
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suchte Madeleine dieses Haus heim. Irgendwie schien sie präsent zu sein, obwohl es praktisch keine Spuren von ihr gab. Vielleicht würde ihr Geist erst dann verschwinden, wenn die Menschen nicht mehr so taten, als hätte sie niemals existiert.
    Vielleicht aber lag es auch nur an mir und den E-Mails , die ich heruntergeladen hatte.
    Ich zwang mich, sie noch einmal Zeile für Zeile zu lesen. Einige waren verwirrend – enthielten vermutlich persönliche Witze oder Anspielungen, die ich nicht verstand   –, und keine lieferte irgendeinen Hinweis.
    Eine Sackgasse.
    Also ging ich nach oben, um zu sehen, was ich im Internet über Madeleine und ihren Bruder herausfinden konnte.
    Meist entdeckt man erstaunliche Tatsachen über Leute, selbst |201| wenn sie niemals Netzwerke wie Facebook oder MySpace benutzt haben. Man kann Personenstandsurkunden, Zeitungsartikel, Informationen über Mitgliedschaften in Vereinen, von ihnen verfasste Rezensionen auf Amazon und Kommentare auf anderen Webseiten finden.
    Ich googelte die Schreibweise von Claudes Nachnamen Lemieux und ging davon aus, dass auch Madeleine so geheißen hatte. Ich wusste, wie alt sie ungefähr waren und wo sie in den vergangenen zehn Jahren gewohnt hatten. Eigentlich hätte ich eine Menge finden müssen. Aber das war nicht der Fall.
    Madeleine wurde auf einigen Gesellschaftsseiten erwähnt, und ich fand Hinweise auf Firmenkunden, die Claude vertreten hatte. Eine kurze Ankündigung der Hochzeit und dass die Eltern beider Ehepartner verstorben waren. Durch konzentriertes Wühlen konnte ich die Heirats- und Pauls Geburtsurkunde finden. Er war keine neun Monate nach der Hochzeit geboren. Aber ohne solche Unfälle gäbe es viele Menschen nicht, mich eingeschlossen.
    Ich lehnte mich zurück. Noch nie hatte ich so lange mit so wenig Erfolg recherchiert. Keine Studienabschlüsse, keine früheren Jobs, keine Verhaftungen. Keine Fotos, keine Kommentare, keine Bücherlisten, keine unterzeichneten Petitionen, keine Spenden. Es war, als hätten Claude und Madeleine überhaupt nicht existiert, bevor sie Philippe kennenlernten.
    Claude hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Entweder asketisch oder in tiefer Trauer. Stattdessen wirkte er irgendwie verstohlen, so als amüsierte er sich insgeheim über etwas oder wüsste Dinge, die andere Leute nicht wussten.
    Konnte Claude die Entführung geplant haben? Philippe hatte gesagt, er habe seiner Schwester sehr nahegestanden, aber auch eine solche Beziehung kann zerbrechen. Und nach Elises knappen, missbilligenden Kommentaren zu urteilen, schienen Bruder und Schwester sich nicht immer so gut verstanden zu haben. Oder aber Claude hatte eine Entführung vorgetäuscht, |202| und die Sache war schiefgelaufen. Warum aber hätte er seinem Schwager nach Ottawa folgen sollen, wenn er selbst in die Sache verwickelt war?
    Und stellte er eine Gefahr für Paul dar?
    Vielleicht war ich paranoid oder dachte nur in diese Richtung, weil ich Claude nicht leiden konnte. Aber es konnte auch durchaus gute Gründe geben, ihm zu misstrauen. Andererseits hatte ihn die Polizei sicher schon überprüft.
    Ich schickte Simon von meinem Laptop aus eine E-Mail und berichtete, dass ich dem geheimnisvollen Bruder begegnet war, der nicht gerade herzlich wirkte. Den nächsten Satz formulierte ich vorsichtig. Ich konnte Simon schlecht bitten, Claude zu überprüfen, doch wenn er von meinen Sorgen wusste, würde ihm die Sache keine Ruhe lassen. Also schrieb ich:
Was, wenn Claude die Entführung geplant hat und weiß, dass die Entführer ihn belasten könnten – was bedeutet das für Paul?
    Danach öffnete ich Outlook Express und las noch einmal das letzte Dutzend Mails, das auf Madeleines Konto eingegangen war. Alle waren Abwandlungen der Frage:
Wo bist du und warum lässt du nichts von dir hören?
    All diese Menschen wussten nichts von ihrem Tod, und das fand ich schrecklich.
    Da kam mir ein Gedanke. Wie würde jemand, der in ihre Entführung oder ihren Tod verwickelt war, auf eine E-Mail von ihr reagieren?
    Also setzte ich eine Standardmail auf:
Ich war unterwegs, und es ist eine Menge passiert! Wie sieht es bei euch aus?
Ich schickte sie an alle Kontakte aus jüngerer Zeit. Als ich die letzte Mail versandt hatte, traf die erste Antwort ein.
    Ich holte tief Luft und klickte sie an.
    Hey, Mädel, wo hast du gesteckt? Ist ja ewig her. Wie läuft es bei dir? Warst du in Florida? Melde dich mal! Gina T.
    Das war keine große Hilfe, und es kam mir grausam vor, dieser Frau

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