Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
aus der Luft. Vom Gipfel der Anhöhe aus wird er stets seine Straße im Auge behalten können, sogar noch, wenn er pensioniert ist.
Nachdem sie den Park und die St. Joseph Street hinter sich haben, kommen sie auf die italienische Main, wo die Straße ihren kosmopolitischen Charakter verliert. Im Gegensatz zur unteren Main, LaPointes eigentlichem Revier, ist die italienische Main nicht so durchlässig und im steten Wandel begriffen wie dort, wo Sprachen und Menschen sich infolge immer neu heranschwemmender und sofort aufgesogener Emigrantenwellen langsam umwälzen. Die obere Main ist schon seit Menschengedenken italienisch, und ihre Bewohner ziehen nie von dort weg, um sich mit der amorphen kanadischen Masse zu vermengen. Die Straße und die Menschen bleiben italienisch.
Auf ein Zeichen von LaPointe hin fährt Guttmann an die Bordschwelle und parkt vor einem schäbigen kleinen Restaurant mit dem Schild:
R EPAS P ASTO
Sie steigen aus und gehen über die Straße, dann die Rue Dante runter und kommen an einem Friseurgeschäft vorbei, in dem kein Mensch sitzt außer dem Besitzer, der auf einem seiner Lederstühle thront und mit der Miene eines rundum zufriedenen Mannes seine Zeitung liest – ein Mann, der sicher ist, von keinem Kunden gestört zu werden. Im Schaufenster kleben ausgeblichene Bilder ausdrucksloser junger Männer, die für längst aus der Mode gekommene Frisuren werben. Einer grinst unter einem Bürstenschnitt hervor, ein anderer stellt jene Haarmode zur Schau, die man früher ›Entenstietz‹ genannt hat. In Wirklichkeit sind, wie LaPointe weiß, die einzigen Kunden Verwandte des Friseurs, die sich die Haar hier gratis schneiden lassen. Der Laden ist eine illegale Wettannahmestelle.
An der Einmündung einer schmalen Straße biegt LaPointe ab und geht auf eine kleine Bar zwischen der Rue Dante und der St. Zotique zu. Guttmann kommt der Gedanke, daß es in dieser französisch-italienischen Gegend irgendwie typisch ist, daß eine Bar genau zwischen zwei Straßen liegt, die nach Dante und dem heiligen Zotique benannt sind. Er sagt das dem Lieutenant und fragt ihn, ob LaPointe je daran gedacht habe, daß dies eine kulturelle Metapher sei.
»Was?«
»Nichts, Sir. War nur mal so ein Gedanke.«
Die Bar ist überheizt von einer großen Ölheizung, deren orangene Flamme schwach hinter einem Glimmerfenster schwelt. Die Frau hinter der Bar ist verblüht. An ihren dicken Armen klappern Armreifen aus Plastik, ihr hochtoupiertes Haar ist von einem unnatürlichen Blauschwarz, Augenschatten und Lippenrot sind knallig, und das tiefe V ihrer flitterbesetzten Bluse enthüllt das Gefälle schlaffer Brüste, die von dem sie umspannenden Stoff in Form gehalten werden. Sie beendet ein schwaches Gähnen, bevor sie die beiden Männer fragt, was sie haben wollen.
LaPointe bestellt einen Roten, und Guttmann verlangt, während er sich in der Bullenhitze den Mantel auszieht, dasselbe, obwohl er Wein eigentlich nur zu den Mahlzeiten trinkt.
Vom Hinterzimmer, das hinter einem grell geblümten Vorhang liegt, kommt das Klicken von Billardbällen, gefolgt von einem italienischen Fluch und dem Gelächter der anderen Spieler. »Wer ist denn Ihr Bekannter, Lieutenant?« fragt die Bardame, während sie den Wein eingießt und Guttmann mit einem verführerischen Blick verschlingt.
»Ist Candy Al wieder zurück?« fragt LaPointe.
»Wo soll er denn zu dieser Tageszeit schon sein?«
»Sagen Sie ihm, ich möchte ihn sprechen.«
»Der wird diese Woche schon mehr gelacht haben.« Die Bardame streift dicht an Guttmann vorbei in das Hinterzimmer, wobei sie mit den Knien leicht einknickt, um ihren Hintern besonders einladend schwenken zu können.
»Sieht aus, als hätten Sie Schlag bei der«, sagt LaPointe, während er sein leeres Glas wieder auf die Bar stellt. Er trinkt einen coup de rouge immer auf einen Zug aus, wie die Arbeiter in seiner Heimatstadt.
»Das ist ja großartig«, sagt Guttmann. »Meinen Sie, ich bin ihre erste Liebe?«
»Eine ihrer ersten heute vormittag.«
LaPointe kennt diese Bar gut. Hier verkehren zwei ganz verschiedene Sorten Gäste. Alte Italiener mit Mützen sitzen hier oft zu zweit an den wachstuchgedeckten Tischen, plaudern ruhig miteinander und trinken ihren sauren Roten. Wenn sie ihn bestellen, fassen sie die Bardame um die Hüfte. Das ist eine automatische Geste, die nichts Besonderes zu bedeuten hat, und das Recht, das Mädchen um die Hüfte zu fassen, fällt aufgrund einer unabänderlichen Tradition
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