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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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paar Minuten von der Straße zurückgezogen, um dem zu dieser Stunde stärksten Verkehrsstau Gelegenheit zum Abflauen zu geben. Freitagabends ist es laut auf der Main; es wird eine Menge getrunken und gelacht und hier und da geprügelt, und die Huren machen gute Geschäfte. Zwischen sechs und acht wird es ruhiger, wenn alle nach Hause gehen, sich umziehen, um auf der Jagd nach dem Vergnügen wieder hier aufzukreuzen. Die meisten essen zu Hause, weil es billiger ist als im Restaurant und weil sie ihr Geld fürs Trinken und Tanzen sparen wollen.
    Guttmann süffelt sein Bier und dreht sich nach der Frau um, die mit dem Barmann spricht. Sie sieht jung und reif zugleich aus, auf eine Art, die Guttmann nicht beschreiben könnte. Die dunklen langen Locken einer Perücke fallen ihr über den Rücken. Besonders die Hände fallen ihm auf, starke und ausdrucksvolle Hände trotz der dicken Brillantringe an jedem Finger. Diese Hände haben etwas merkwürdig Anziehendes – Wissendes. Dann und wann schaut die Frau Guttmann geradewegs mit unverhohlen prüfenden, gar nicht spröden Augen an.
    Während sie die lange Treppe zur Straße hinuntergehen, sagt Guttmann: »Nicht gerade das, was man ein braves Mädchen nennt.«
    »Was?« fragt LaPointe geistesabwesend.
    »Diese Biene da oben. Nicht direkt 'ne Unschuld vom Lande.«
    »Nein, ich glaube nicht. In der Bar verkehren keine Frauen.«
    »Oh«, sagt Guttmann, als er es kapiert hat. Er errötet sanft, wie er an die ausdrucksvollen, wissenden Hände mit den Brillantringen zurückdenkt.
    Es ist bald acht Uhr, und der Fußgängerstrom wird wieder dichter. Die Mündung einer schmalen Straße verstellt ein Scherenschleifer, der sein Gewerbe mit gewissenhafter Hingabe ausübt. Das Schleifrad hat er so an sein Fahrrad angeschlossen, daß er mit den Pedalen entweder das Fahrrad oder den Schleifstein betätigen kann. Er sitzt auf dem Sattel, das Hinterrad auf ein rechteckiges Gestell aufgebockt, strampelt und dreht den Schleifstein. Das Schleifgeräusch und der Bogen sprühender Funken erregen die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden, die ihm einen kurzen Blick zuwerfen und dann weiterhasten. Der Scherenschleifer ist groß und hager und die ölige, hochgekämmte Frisur verleiht ihm das Aussehen eines Tataren. Er hat eine dünne Hakennase, und seine Augen unter den schweren Brauen konzentrieren sich auf das Messer, an dem er arbeitet, auf den Funkenregen, den er versprüht.
    Er tritt so grimmig in die Pedale, daß sein Gesicht trotz der Kälte naß ist vor Schweiß. Den schmalen Rücken über seine Arbeit gekrümmt, die Knie auf- und niederfahrend, seine Aufmerksamkeit voll auf das Messer und die Funken konzentriert, scheint er gar nicht zu bemerken, wie LaPointe auf ihn zukommt.
    »Na?« sagt LaPointe, der genau weiß, daß er ihn schon bemerkt hat.
    Der Schleifer schaut nicht auf, rollt aber die Augen seitwärts und schaut LaPointe unter gewölbten Augenbrauen an. »Hallo, Lieutenant.«
    »Wie geht's denn so?«
    »Gut. Geht sehr gut.« Plötzlich holt der Schleifer aus und stoppt das Rad mit seinen langen Fingern. Guttmann zuckt zusammen, als er sieht, wie der Rand des Steins dem Schleifer in die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger schneidet. Doch der alte Tramp scheint den Schmerz nicht zu spüren und das Blut nicht zu sehen. »Er kommt, verstehn Sie? Er kommt.«
    »Der Schnee?« fragt LaPointe.
    Der Schleifer nickt würdevoll, die schwarzen Augen glühen in den tiefen Höhlen. »Vielleicht auch Graupeln, Lieutenant. Vielleicht auch Graupeln! Niemand regt sich darüber auf! Niemand macht sich Gedanken darüber!« Seine Augenbrauen senken sich zu einem finster-mißtrauischen Blick, als er jetzt mit brennenden Augen auf Guttmann starrt: »Sie haben sich nie Gedanken darüber gemacht«, beschuldigt er ihn.
    »Ach … na ja, ich …«
    »Wer weiß«, sagt LaPointe. »Vielleicht schneit es dieses Jahr gar nicht. Schließlich hat es letztes Jahr auch nicht geschneit und vorletztes Jahr.«
    Die Augen des Schleifers flackern verwirrt hin und her. »Wirklich nicht?«
    »Nicht eine Flocke. Weißt du's nicht mehr?«
    Der Schleifer runzelt angestrengt die Stirn. »Ich … glaube … ich weiß es. Ja. Ja, es stimmt.« Ein jäher Tritt, und das Rad dreht sich von neuem. »Richtig. Nicht eine Flocke!« Er preßt das Messer an den Stein, daß die Funken sprühen und Guttmann auf die Schuhe fallen.
    LaPointe wirft einen Dollar in den Korb des Schleifers, und die beiden Polizisten machen wieder kehrt und

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