Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
hörten, daß die Kugel Ihr Herz gestreift hat, haben wir die ganze Nacht Verbindung zum Krankenhaus gehalten. Wußten Sie das?«
LaPointe schaut den Commissioner nicht mehr an; sein Blick geht zum Fenster hinaus. Er spricht ruhig: »Machen Sie weiter, Commissioner.«
»Jawohl, ich mache weiter. Das ist das letzte Mal, daß Sie dem Laden Ärger machen. Wenn das noch ein einziges Mal passiert … wenn ich mich noch ein einziges Mal für Sie stark machen muß …« Er braucht den Satz nicht zu beenden.
LaPointe richtet seinen Blick auf das Gesicht des Commissioners. Er seufzt und steht auf. »Ist das alles, worüber Sie mit mir reden wollten?«
Resnais schaut verbissen auf LaPointes Akte. »Ja, das ist alles.«
Das Zuschlagen der Bürotür läßt das Glas klirren. LaPointe schießt ohne ein Wort an Guttmann vorbei, läßt sich schwer in seinen Schreibtischsessel fallen und starrt mit leerem Blick auf den Untersuchungsbericht über den Burschen, den sie in der Seitenstraße gefunden haben. Sein Selbsterhaltungstrieb rät Guttmann, den Kopf über seine Tipperei geneigt, den Mund zu halten. Eine halbe Stunde lang hört man nichts weiter als das Geklapper der Schreibmaschine und das Zischen des Sandstrahlgebläses von gegenüber.
Dann holt LaPointe tief Luft und fährt mit der flachen Hand über sein Haar. »Hat Dirtyshirt Red angerufen?«
»Nein, Sir. Niemand hat angerufen.«
»Hm-m.« LaPointe erhebt sich, kommt an Guttmanns Tischchen und schaut ihm über die Schulter. »Wie kommen Sie voran?«
»Oh, sehr gut, Sir. Macht riesig Spaß. Ich wüßte nicht, was ich lieber täte, als Berichte zu tippen.«
LaPointe wendet sich ab und gibt seinen Abscheu vor allem Papierkram und denen, die sich damit abrackern, durch ein Grunzen zu erkennen. Draußen wird die Stadt unter den schwer lastenden Wolken langsam dunkel. Er zerrt seinen Mantel von dem hölzernen Garderobenständer.
»Ich geh' mal rauf zur Main. Mal sehen, was so läuft.«
Guttmann nickt, ohne den Blick von dem Formular zu heben, das er gerade abtippt. »Nun?«
Der Jüngere hält den Finger auf die Stelle und schaut auf.
»Ja, Sir?«
»Kommen Sie mit oder nicht?«
Eine Minute später wird das Licht ausgemacht, die Tür abgeschlossen, und der Bericht bleibt unbeendet in der Maschine.
5
Als sie die Sherbrooke überqueren, ist die Straßenbeleuchtung bereits an, und die Gehsteige sind wieder verstopft. Ein rauher Wind ist aufgekommen. Er fährt in Böen um die Ecken und wirbelt Sand hoch, der zwischen den Zähnen knirscht. Die Kälte treibt Guttmann Tränen in die Augen und spannt seine Gesichtshaut, aber durch des Lieutenants schäbigen Mantel, der ihm bis zu den Waden hängt, scheint sie nicht zu dringen. Guttmann würde gern schneller gehen, um warm zu werden, aber LaPointes Schritt ist gemessen, und seine Augen schweifen prüfend von einer Straßenseite zur anderen und suchen nach Anzeichen irgendwelcher Störungen.
Als sie an einem Laden vorbeikommen, nimmt LaPointe die Hand aus der Tasche und hebt sie zum Gruß. Ein kahlköpfiges Männchen mit einem grünen Lichtschutz auf der Stirn winkt zurück.
Guttmann schaut auf das Schild über dem Laden:
S. K LEIN – K NOPFLÖCHER
»Knopflöcher?« fragt Guttmann. »Dieser Kerl macht Knopflöcher? Was ist denn das für ein Geschäft?«
LaPointe erzählt zum hundertstenmal den alten Witz: »Es wäre ein wunderbares Geschäft, wenn Mr. Klein nicht den Stoff dazu liefern müßte.«
Guttmann hat den Witz nicht ganz mitbekommen. Er weiß nicht, daß keiner auf der Main ihn ganz mitbekommt, aber alle erzählen ihn immer wieder, weil er so witzig klingt.
Immer, wenn sie an einer Bar vorüberkommen, begrüßt sie einen Augenblick lang der Duft von schalem Bier und Zigarettenrauch, bevor der rauhe Wind ihn auseinanderbläst. Auf halber Höhe der St. Laurent kehrt LaPointe in eine heruntergekommene Bar namens Chez Pete's Place ein. Drinnen ist es stickig und duster, und der Besitzer schaut gar nicht erst von seinem Pornoheft hoch, als die beiden Polizisten hereinkommen.
Drei Männer sitzen um einen der hinteren Tische; der eine groß und knochig, ein Tramp mit eingewölbter Brust und einem Tatterich, daß er seinen Wein aus dem Bierglas trinken muß. Die anderen beiden diskutieren mit schwerer Zunge über den Tisch hinweg und hauen, sehr zum Mißvergnügen des dritten, dabei immer mal wieder wuchtig auf die Tischplatte.
»Floyd Patterson war nicht Scheiße! Der hat nie … der konnte gar nicht … der
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