Ein Herzschlag danach
Extrabass fürs Radio oder so. Ein An-Aus-Schalter? Oder doch etwas Aufregenderes, zum Beispiel ein Schleudersitz?
Wir fuhren in den grellen Sonnenschein hinaus. Ich schaute zurück – folgte uns der schwarze Wagen immer noch? Ich konnte ihn nirgends entdecken.
Ein paar Minuten später drehte ich mich wieder um – nichts. Ich überlegte, wie ich das Thema noch einmal zur Sprache bringen konnte.
»Jack«, sagte ich schließlich, »wenn ich nächste Woche zurückfliege, wann kann ich dann wieder hierher zurückkommen?«
Er gab plötzlich Gas. »Lila, du hast doch gesehen, was schon in den wenigen Tagen los war, die du hier bist. In London haben sie dich nicht im Visier. Hier kann ich nicht für deine Sicherheit garantieren.«
»Brauchst du doch gar nicht. Ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen«, sagte ich in einem Ton, der fast überzeugend klang.
Jack zog die Augenbrauen hoch, schnaubte kurz und blickte wieder auf die Straße.
Wütend starrte ich geradeaus. Ich musste ihm die Wahrheit sagen. Das wurde mir schlagartig klar. Wenn ich ihm und Alex von meiner geheimen Fähigkeit erzählte, würden sie vielleicht endlich einsehen, dass sie mich nicht zu beschützen brauchten. Sie würden mir erlauben, hierzubleiben. Es war natürlich riskant. Es war möglich, dass sie total durchdrehen und mich in ein Irrenhaus einliefern würden. Aber war das so wahrscheinlich? Schließlich war der eine mein Bruder und der andere, na ja, der war Alex, und Alex war immer so vernünftig.
Jack parkte den Wagen und schaltete den Motor aus, bevor ich auch nur merkte, dass wir angekommen waren.
»Sara kommt später vorbei«, verkündete er und schloss die Haustür auf. »Damit ihr euch zusammen für die Party chic machen könnt.«
Ich lächelte. Es würde mir guttun, ein bisschen Zeit mit einem anderen Mädchen zu verbringen, und vielleicht konnte ich aus Sara mehr herauskriegen als aus Alex.
Ich warf einen Blick auf die Uhr. Ich musste volle zehn Stunden totschlagen, bevor ich Alex wiedersah. Zehn Stunden, das waren gefühlte zehn Jahrhunderte. Aber wenigstens hatte ich Zeit, mir ein Geschenk für ihn zu überlegen, ein echtes Geschenk. Und vielleicht fiel mir auch noch ein, wie ich Jack und Alex meine Fähigkeit beibringen konnte, ohne dass sie schreiend vor mir die Flucht ergriffen.
Das Geschenkproblem ließ sich ziemlich leicht lösen. Hinten in meinem Taschenkalender führte ich immer ein kleines Lederarmband mit mir, das mir Alex vor fünf Jahren gegeben hatte – ein hastig fabriziertes Lebewohlgeschenk. Ich hatte es ungefähr eine Woche lang in London am Handgelenk getragen, bis mir meine neue Lehrerin befohlen hatte, es abzulegen, weil es nicht zur Schuluniform gehörte. Ich glaubte, dass sich Alex über die Geste freuen würde. Natürlich riskierte ich, dass er es nur verwundert betrachten und sich fragen würde, warum ich ihm ein abgetragenes Stückchen Leder als Geburtstagsgeschenk gab, aber das Risiko musste ich eingehen. Ich hatte kein Geld, von ein paar Münzen abgesehen, also musste es entweder das Lederband sein oder ein Lutscher in Herzform.
Auch das andere Problem glaubte ich, gelöst zu haben. Es kam nur darauf an, wie man die Sache betrachtete. Ich konnte ihnen meine Fähigkeit als etwas total Irres beschreiben – oder sie ihnen als nützliche Superkraft verkaufen. Vielleicht würde Alex mich dann so bewundernd anschauen, wie Jack Sara ansah, und mich zu einem Candle-Light-Dinner einladen. Und was dann noch kommen würde … ja, genau: Mit meiner Superkraft wäre ich Rachel endlich ebenbürtig. Mindestens.
Mein Plan stand fest – heute Abend würde ich es ihnen erzählen. Nach der Party. Es gab nur einen klitzekleinen Haken: Meine Superkraft war gar nicht so super und nicht mal das bisschen Kraft hatte ich voll unter Kontrolle. Aber um diese Kleinigkeiten würde ich mich erst kümmern, wenn es nötig wurde.
14
Ein Klopfen riss mich aus meinen Tagträumereien.
Sara schob den Kopf durch den Türspalt. Sie trug ein kurzes schwarzes Kleid mit einem glitzernden Besatz am Saum, der ihre Haut schimmern ließ. Sie hatte einen kleinen Handkoffer mitgebracht.
»Du siehst super aus«, sagte sie und stellte sich neben mich vor den Spiegel.
Ich betrachtete uns beide. Ich trug das blaue Seidenkleid, das ich aus England mitgebracht hatte. Obwohl es natürlich völlig egal war, was ich anhatte. Wenn sich dieses Ich-bin-der-Boss-Barbiepüppchen im selben Raum aufhielt, würde mich Alex nicht einmal
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