Ein Highlander zu Weihnachten
Pfannen, einige Stücke angestoßenen englischen Knochenporzellans mit einem zarten Rosenmuster in Pink – wahrscheinlich ein Hochzeitsgeschenk –, rostfreies Stahlbesteck mit Rostflecken – sie hätte gerne gewusst, wie er das fertiggebracht hatte –, Rasierzeug, Konservendosen, ein Staubsauger so alt wie der Staub selbst, Hunderte kleiner Werkzeuge zur Holzbearbeitung und Dutzende zierlicher Schiffe und Boote, die in blassgrüne Flaschen eingeschlossen waren. Neben all diesen Dingen standen ein hohes, altmodisches Bett aus Fichtenholz, eine Frisierkommode mit dazugehörigem Beistelltisch, ein Schaukelstuhl mit bespannter Rückenlehne und mehr Farbschichten, als sie selber an Jahren zählte, sowie spinnenbeiniges Ahornküchenmobiliar aus den Fünfzigern. Und immer noch war eine Kiste zum Öffnen übrig – die, die aussah wie ein Sarg.
Gähnend nahm sie den vergoldeten Bilderrahmen in die Hand, den sie auf den Beistelltisch gestellt hatte, und fuhr zärtlich mit einem Finger über das Glas. Über Tavish und seine Liebste, Margaret, wie sie lächelnd dastanden: er, jung und im Uniformkilt und sie, die blonden Ringellocken vom Wind zerzaust, in einem schönen viktorianischen Brautkleid, mit einem Strauß Wiesenblumen in den Händen.
»Ich werde dich vermissen, Tavish, ganz bestimmt.« Sie drückte das Bild an ihre Brust und schloss die Augen. Sie sollte es ihm nicht übel nehmen, dass er sie einfach so verlassen hatte. Seine Frau hatte schon lange genug auf ihn gewartet.
Mit einem schweren Seufzer stellte sie das Bild zurück auf den Beistelltisch, nahm wieder den Hammer und kniete sich vor den langen, schmalen Kasten hin. Die Nägel kreischten, als sie sie umbog. Wenn das Schicksal ihr gewogen war, würde sie einen verschollenen Rembrandt vorfinden. Vielleicht das Brautkleid, das sie eben auf dem Hochzeitsbild gesehen hatte. Oder, noch besser, einen kompletten Satz langstieliger Waterford-Gläser mit passender Bowleschüssel und zwölf einwandfreien Tassen. Das wäre schön.
Als der letzte Nagel nachgab, schloss Claire die Augen und griff mit beiden Händen nach dem Deckel.
Bitte, lieber Gott, mach, dass es kein maßstabsgetreues Modell der Queen Elizabeth II ist.
Vor Erwartung stockte ihr fast das Herz. Sie ruckte an dem Deckel, und er fiel mit einem dumpfen Knall zu Boden. Sie öffnete die Augen.
3
Noch eine Kiste. Diesmal eingewickelt in meterweise Luftpolsterfolie.
Sie versuchte, die Kiste herauszuheben, aber es gelang ihr nicht, und sie griff wieder zum Hammer. Als die äußeren Wände zur Seite geklappt waren, zerschnitt sie das Klebeband und zerrte die Folie herunter.
»Du lieber Gott … danke, Tavish MacLean.« Sie fuhr vorsichtig mit der Hand über die keltischen Schnitzereien auf der blank polierten, teefarbenen Eichenkiste, ehe sie die Kanten nach einem Hebel oder einem Scharnier abzutasten begann. Da sie nichts entdeckte, folgerte sie, der Deckel sei einfach auf das Unterteil aufgesetzt und hob ihn ab. Als sie auf dem dunkelgrünen Filzbündel darunter einen großen weißen Umschlag liegen sah, fiel ihr der schwere Deckel beinah aus den Händen, aber sie spannte ihre Muskeln an und stellte ihn vorsichtig beiseite.
Sie öffnete den Umschlag:
Meine liebe Claire,
ich hatte gehofft, wir könnten dieses heikle Thema besprechen, wenn wir uns zu unserem nächsten Weihnachtsessen treffen, aber falls uns das Schicksal nicht gnädig sein sollte, lege ich meinem allerkostbarsten Besitz diesen Brief bei.
Himmel, wie lange war er denn schon krank gewesen?
Bitte verzeih mir, aber ich bin fest davon überzeugt, dass Du die Einzige bist, auf die ich mich verlassen kann, die Einzige mit der Kraft zum Weitermachen – so, wie ich geschworen habe, es zu tun, nun aber nicht mehr kann.
Diese Truhe und ihr Inhalt gehörten einst Lady Mhairie Stewart, Schwägerin von Lord Malcolm MacLeod von Rubha, die im Dezember 1745 starb.
Der Überlieferung in meiner Familie zufolge vertraute Lady Stewart alles, was Du hier vor Dir siehst, unserem Vorfahren Thomas MacLean an, ehe der Clan der MacLeods sich dem Jakobitenaufstand anschloss. Sie trug ihm auf, die Truhe niemals zu öffnen, sondern mit Leib und Leben zu verteidigen, bis sie sie entweder holen käme oder bis der Frieden in Schottland wiederhergestellt sei. Da weder das eine noch das andere eintrat, nahm Thomas die Truhe bei seiner Flucht nach Amerika mit.
Seitdem ist die Truhe dreimal über den Atlantik hin- und hergereist und dabei vom Vater auf den Sohn,
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