Ein Highlander zu Weihnachten
die Schriftrolle vor. »Vielleicht befindet sich darin der Schlüssel.«
Ihr war bewusst, wie empfindlich das Pergament war, und sie rollte es behutsam auseinander. Aber sie wurde enttäuscht, denn die Botschaft darauf war auf Gälisch geschrieben.
Als sie den Umschlag öffnete, begannen draußen die Glocken zu läuten. Wie konnte es nur schon zwei Uhr morgens sein?
Sie musste ins Bett. Der Umschlag und der Müll hatten Zeit bis morgen.
Sie schlang sich das karierte Wolltuch um die Schultern, schob das Schwert zurück in die Scheide und hielt es an die Brust gedrückt, während sie ihre restlichen Schätze einsteckte.
Zwei Stunden später strampelte Claire ihre Daunendecke beiseite und knipste die Art-Déco-Lampe auf ihrem Nachttisch an. Es bestand absolut keine Aussicht auf Schlaf, solange sie dem Geheimnis der Puzzleschachtel nicht auf die Spur gekommen war.
Nun nahm sie sich die Lupe und bekam heraus, dass der ursprüngliche Besitzer des Schwertes ein Edelmann namens Sir Cameron MacLeod gewesen war. Ein Rätsel war schon gelöst. Und eines blieb noch übrig.
Noch einmal las sie die Übersetzung, die Tavishs Vorfahren von der Schriftrolle angefertigt hatten. In verschiedenen Handschriften standen am Rand Notizen, in denen das eine oder andere einzelne Wort angezweifelt wurde. Letztlich einig war man sich über folgende Auslegung:
Im tiefinnersten Wesen, im tiefsten Seelengrund
erkenne statt der Mutter den Gefährten,
da du allein den Schlüssel hast.
So wird er verstehen,
wie zu sühnen sei,
um in Zukunft zu bestehen.
»Na, das sollte doch weiterhelfen.« Die Lupe ins rechte Auge geklemmt, betrachtete sie die rätselhaften Zeichen auf der Holzschachtel eingehend und entdeckte jeweils in deren Mitte eine winzige Vertiefung. Ob wohl …
Sie krabbelte aus dem Bett, öffnete die Zedernholzkiste am Fußende und angelte ihren Nähkorb daraus hervor.
»Nadel, Nadel, ein Königreich für eine feine Nadel …«
Und dann saß Claire mit untergeschlagenen Beinen da, in der einen Hand eine dünne Nadel und in der anderen die Lupe, und begann der Reihe nach in die winzigen Löcher hineinzustechen, erst von links nach rechts und danach von den einfachen zu den komplexeren Zeichen.
»Da muss es doch irgendeine Reihenfolge geben, so was wie ein Muster.«
» So wird er verstehen … verstehen.« Die meisten Männer dachten zuerst mit dem Verstand und danach mit dem Herzen. Nein, zuerst dachte ein Kerl mit dem Schwanz und dann mit dem Verstand. Sie suchte und suchte, aber sie fand nichts, was auch nur entfernt an ein Phallussymbol erinnerte.
Sie drehte die Schachtel ein weiteres Mal und entdeckte ein Paar winziger Kreise mit Vertiefungen in der Mitte, die vielleicht Brüste darstellen sollten. Sie bohrte die Nadel hinein. Am äußeren Rand auf einer der Schachtelseiten fand sie zwei sich gegenüberliegende Halbmonde, die – wenn sie die Schachtel nur etwas schräg hielt – entfernt einer Vagina ähnelten. Frisch gewagt ist halb gewonnen. Sie bohrte die Nadel in das winzige Loch in der Mitte und schauderte. Und jetzt?
Claire drehte die Schachtel noch einmal um. Das Spiralmuster erinnerte sie an Ähren. Dazwischen war viel Platz freigelassen – frei bis auf das kaum erkennbare Nadelloch.
Sie drückte die Nadel hinein. Es machte klick, und eine Seite der Schachtel schob sich einen Fingerbreit heraus. Claire jubelte.
Wie viele Generationen von Männern der MacLeans hatten sich wohl hieran versucht und waren gescheitert? Und sie hatte es fertiggebracht.
Sie drehte die Schachtel, bis die hervorstehende Seite nach oben zeigte. Sie hob sie ab und warf mit angehaltenem Atem einen Blick in das Innere.
Sie kippte die Schachtel etwas, und eine große Eichel kullerte in ihre geöffnete Hand. Sie fühlte sich seltsam warm an. Auf der Schale der Eichel war eine Inschrift angebracht. Außerdem war ein Loch hineingebohrt und eine lederne Schnur hindurchgezogen worden, die inzwischen brüchig geworden war. Sie griff nach der Schlaufe und versuchte, die Inschrift zu entziffern.
Anail. Tha gradhach. Was mochte das bedeuten?
Als sie die Eichel untersuchte, löste sich die Kappe und silbriger Sand rieselte in ihre Hand. Er fühlte sich glatt an, beinahe seidig. Nun ja, zumindest das Schwert war eine durchwachte Nacht wert gewesen.
Sie klopfte sich den Sand von den Händen, dass es nur so staubte. »Anail. Tha gradhach.« Was mochte das nur …
Ein ungeheures Krachen ertönte.
Claire zuckte zusammen und hielt sich die
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