Ein Highlander zu Weihnachten
den Tisch und faltete die Hände bittend zusammen. Dann lehnte er sich zu Brindle hinüber. »Sir, ich wollte nur ein paar Muscheln für Claire holen. Das ist ihr Lieblingsessen, und das Meersalz wäre ihrer Genesung förderlich gewesen. Ich wäre ja in das Gasthaus gegangen, in das sie auch immer geht, aber dort wollte man ein Vermögen für kaum eine Handvoll dieser Muscheln. Da wollte ich selber welche holen. Ich ging an den Strand und begann zu graben, fand aber keine. Dann sah ich das Boot kieloben am Strand liegen, und zu Hause darf jedermann es nehmen, wenn der Benutzer es gerade nicht braucht. Also borgte ich es mir und ruderte zu der Landzunge hinaus, weil ich dachte, ich hätte mehr Glück an einer Stelle, an der weniger Leute sind.« Er schüttelte ungläubig den Kopf, weil er schon wieder gegen ein Gesetz verstoßen haben sollte. »Ich hätte das verdammte Boot doch zurückgebracht. Ich bin kein Dieb.«
»Das habe ich auch nicht behauptet. – Und dann?«
»Ich war also am Graben, und ehe ich auch nur ein Dutzend Muscheln im Eimer hatte, kam der Wildhüter – wer hätte denn auch gedacht, dass es hier so viele verschiedene Arten Polizei gibt – packte mich und legte mich in Eisen.«
Brindle blickte zweifelnd drein und schob seine Brille auf der Nase so weit nach vorn, bis er Cam über ihren Rand hinweg anschauen konnte. »Hier steht, Sie hätten den Wildhüter geschlagen.«
Cam warf sich heftig gegen die Stuhllehne. »Nichts dergleichen habe ich getan. Der Mann war ja bloß ein Hemd. Wenn ich ihn geschlagen hätte, hätte ich ihn niedergestreckt und wäre geflohen, statt hier in Ketten zu sitzen. Nein, ich nahm ihm nur den Eimer wieder ab, den er mir weggenommen hatte.
Ich hatte die verdammten Muscheln ausgegraben. Es waren also meine.«
Brindle rollte die Augen und nahm seine Brille ab. »Wir haben noch etwas Zeit, bis Sie dem Haftrichter vorgeführt werden. Ich werde sehen, was ich tun kann, um den Bootseigentümer zu besänftigen … vielleicht bringe ich ihn dazu, dass er seine Anklage zurückzieht. Und dann spreche ich mit dem Wildhüter. Ich werde ihm erklären, dass Sie hier neu sind und nicht wussten, dass das Muschelgraben nur sehr eingeschränkt erlaubt ist. Mit ein bisschen Glück kann ich ihn auch umstimmen.«
»Und wenn er sich nicht umstimmen lässt?«
Brindle schob seine Brille in die Rocktasche und langte nach seiner Mappe. »Dann, MacLeod, haben Sie und ich noch einen Termin vor Gericht.«
Claire blickte Victor, der ihr gegenübersaß und in einer alten Nummer von Architectural Digest blätterte, finster an. »Sie sollten schon längst wieder da sein.«
»Reg dich nicht auf, Claire. Solche Sachen brauchen Zeit.«
»Ja, und wenn du mit mir zum Gericht gefahren wärst, wüsste ich auch genau, wie lange. Du hattest es versprochen. Ich kann es nicht leiden, wenn man mich reinlegt.«
»Der Doktor hat gesagt, er entlässt dich nur unter der Bedingung, dass du schnurstracks nach Hause fährst und dich ins Bett legst.« Er sah zu ihr auf. »Du siehst selbst, dass du nicht im Bett liegst.«
»Ach, leck mich.« Und wenn sie Cam nun nach dem schriftlichen Schuldanerkenntnis nicht gehen ließen? Wenn er nun einen Bürgen brauchte?
»Allmählich klingst du aber vulgär, Claire.«
»Leck mich, Cowboy! Und deinen räudigen Gaul gleich mit dazu!«
Als sie nach ihrem Handy griff, ließ Victor die Zeitschrift sinken. »Mach nur. Ruf Brindle an. Bring den Mann noch ein bisschen mehr auf die Palme, damit er euch endlich sitzen lässt und MacLeod ohne ihn zurechtkommen muss. Willst du das im Ernst?«
Claire klappte das Handy zu, warf es auf den Couchtisch und nahm sich den Teddy, den Cam ihr geschenkt hatte. »Manchmal hasse ich dich, weißt du das?«
»Hassen klingt schrecklich heftig, Schätzchen. Aber davon abgesehen weiß ich, dass das nicht stimmt. Du liebst mich.« Er nahm die Zeitschrift wieder hoch. »Ich warte ja immer noch darauf, dass du mir mal erzählst, wie du diesen Highlander kennengelernt hast. Ich habe nicht den Eindruck, dass er ganz dein üblicher Typ ist.«
»Was meinst du damit?« Wieso war er nicht ihr üblicher Typ? Weil er so gut aussah?
»Ich meine nur, dass mir noch nie aufgefallen ist, dass du ein Auge auf Bauarbeiter wirfst. Ich schon, aber du doch nicht. Zu dieser Sorte Macho hast du dich nie hingezogen gefühlt, so rau, voller Leidenschaft, sonnengebräunt und muskelbepackt. Du schaust den kultivierten Typen im Anzug hinterher.«
»Du spinnst total – wie
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