Ein Highlander zu Weihnachten

Haaresbreite nicht.
    »Das werden wir sehen. Fangen Sie an.«
    Brindle hatte den Bootseigentümer dazu bringen können, seine Anzeige zurückzuziehen. Jetzt musste er nur noch mit dem Vorwurf wegen Widerstand bei der Festnahme fertig werden. Er eröffnete seine Stellungnahme: »Euer Ehren, es liegt kein Verbrechen vor. Mein Mandant Cameron MacLeod wurde das Opfer eines übereifrigen Wildhüters.« Er berichtete den Vorfall aus MacLeods Sicht so, wie er ihn von seinem Mandanten gehört hatte. »Er ist ein Neuankömmling in unserem Land und wusste nicht, dass die Nutzung öffentlicher Flächen oder des Bootes eines Nachbarn gewissen Beschränkungen unterliegt. Dergleichen überstieg sein Vorstellungsvermögen, da er auf einer Insel vor der schottischen Küste aufgewachsen ist, auf der die Menschen als Fischer und Sammler leben, ohne Strom und fließend Wasser. Er ist ein wahrlich entwurzelter Mensch.«
    Und obwohl sein Mandant in Brindles Augen viel zu wenige Vorzüge aufwies, verbreitete er sich darüber ausführlich. Detailliert schilderte er die Jugend seines Mandanten, die sich in einem eng umrissenen Rahmen abgespielt hatte, wobei er niemals log, aber die Wahrheit bis zur Unglaubwürdigkeit strapazierte. Der Richter ließ den Angeklagten währenddessen nicht aus den Augen.
    Endlich hob er die Hand. »Das genügt, Mr Brindle. Ich kann mir ein Bild machen.« Dann wandte er sich an MacLeod. »Mr MacLeod, wie konnten Sie bei Nacht sehen, wenn Sie keinen Strom hatten?«
    »Öllampen.«
    »Und was für ein Öl benutzten sie dafür?«
    Brindle fluchte innerlich. Der Richter versuchte, seinem Mandanten eine Falle zu stellen. Ehe er Einspruch erheben konnte, erwiderte MacLeod: »Waltran.«
    »Und woher hatten Sie diesen Waltran?« Der Richter sah Brindle unverwandt an und zog eine Augenbraue in die Höhe. Es fehlte nur noch, dass er sagte: Jetzt habe ich den Kerl am Haken.
    Brindle holte Luft, um Einspruch wegen mangelnder Bedeutsamkeit einzulegen, aber MacLeod fiel ihm ins Wort. »Nein, ich werde dem Mann antworten.« Dem Richter erklärte er: »Wir haben Wale gefangen.«
    Der Richter grinste; offenbar amüsierte er sich prächtig. »Und, wenn es beliebt, wollen Sie mir verraten, auf welche Weise Sie diese Wale fingen?«
    Am hinteren Ende des Saals begannen Leute zu kichern. MacLeod sagte: »Mit unseren Schiffen, natürlich. Uns gehören zwei.«
    »Aha. Würden Sie diese Schiffe bitte näher beschreiben?«
    MacLeod zuckte mit den Achseln. »Sehr wohl. Achtundsiebzig Fuß in der Länge, sechsunddreißig in der Breite. Einfacher Rumpf, drei Masten, mit einem durchschnittlichen Fassungsvermögen von dreitausend Pfund – eins etwas mehr, das andere etwas weniger wegen der Kabinen. Sie machten im Schnitt eine Fahrt von acht bis zehn Knoten, aber wir konnten aus der Braut zwölf herausholen, wenn ihr der Wind in den Hintern blies.«
    Im Gerichtssaal brach lautes Gelächter aus, und der Richter schlug mit seinem Hammer auf den Tisch, um sich Gehör zu verschaffen. »Noch mehr solche Heiterkeitsausbrüche, und ich lasse den Saal räumen.«
    Nachdem er einen finsteren Blick in die Runde geschickt hatte, wandte Richter Miller seine Aufmerksamkeit wieder MacLeod zu. »Und wie haben Sie den Tran aus den Walen gewonnen?«
    »Bitte um Vergebung, Sir, aber der Tran ist nicht im Wal, sondern der Wal ist aus Tran.«
    Und er begann zu berichten, wie die Wale in seinem Clan abgespeckt wurden, wobei er auch die notwendigen Werkzeuge beschrieb.
    Brindle war kurz davor, ihn zu unterbrechen, aber dann merkte er, wie sein Mandant sich warm redete und anfing, zum Ausgleich für den Schleim und Gestank, den er bis in alle Einzelheiten schilderte, launige Geschichten zum Besten zu geben. Als MacLeod dann Hinweise zur Entsorgung von Eingeweiden gab, lehnte Brindle sich in seinem Sessel zurück und entspannte sich. Wie der Darsteller eines Einpersonenstücks hatte MacLeod sein Publikum ganz und gar im Griff.
    Nach zehn Minuten hob der Richter mit einem etwas galligen Gesichtsausdruck die Hand. »Das genügt. Danke, Mr MacLeod.« Zu Brindle gewandt meinte er: »Mr Brindle, Ihr Mandant hat Ihre Aussage bestätigt. Der Fall wird ohne Weiteres abgewiesen.«
    Er hieb mit dem Hammer auf den Tisch und verschwand kurzerhand aus dem Gerichtssaal.
    Die Zuschauer brachen in laute Jubelschreie und Beifall aus. MacLeod beugte sich zu Brindle hinüber: »Und jetzt?«
    Brindle öffnete seine Aktenmappe und schob die Schriftstücke hinein, die er vorbereitet hatte