Ein Himmel voller Sterne
ihm.
„Meinetwegen.“
„Du bist mal wieder galant …“
„Und du eine Nervensäge!“
„Mistkerl!“ Beleidigt warf sie den Kopf in den Nacken und ging weg. Aber noch ehe er Gelegenheit hatte, erleichtert aufzuatmen, kam Madeleine mit drei sehr distinguiert aussehenden Herren auf ihn zu – und Karsten wurde in ein Gespräch über Ertragsoptimierung und Anlagenstrategie gezogen.
Als er endlich wieder Zeit fand, nach Bettina Ausschau zu halten, war sie verschwunden.
+ + +
„Bewegend, diese Bilder … aber wie ich schon sagte – für solch einen Bildband gibt es keinen Markt. Leider. Ich persönlich finde sie ebenso ästhetisch wie anrührend.“ Die Chefin der Fotoagentur lehnte sich in ihrem Sessel zurück. „Sie sind eine Künstlerin, Bettina, aber – von der Kunst allein können nur wenige leben.“
„Ich weiß.“ Bettina schob die Schwarzweiß-Fotos wieder in ihre Mappe. Es waren Porträtaufnahmen alter Menschen. Indios, Mexikaner, Italiener, Deutsche … auf ihren Reisen hatte sie immer wieder die ältesten, und oft auch die ärmsten der Bewohner des jeweiligen Landes fotografiert. Sie war sich bewusst, dass sie diese Bilder nicht würde verkaufen können, aber es hatte sie dazu gedrängt, diese Lebenslinien in den Gesichtern einzufangen.
„Ich hätte einen tollen Job für Sie.“ Verena Trautinger, die Agenturchefin, lehnte sich noch etwas entspannter zurück. „Jost Bergstaller ist schwer krank geworden, er war für das Shooting in Paris gebucht. Hätten Sie Interesse an dem Job? Ich könnte da vermitteln.“
Nur kurz zögerte Bettina. „Ja, gern“, nickte sie dann. Ihr Kontostand, auf einem absoluten Tiefststand, zwang sie wieder einmal, etwas Profanes zu tun. „Wann ist der Termin?“
„In drei Wochen.“
„Das trifft sich gut. Ich hab nämlich noch zwei Termine hier in Hamburg.“
„Dann kann ich also alles in die Wege leiten?“
„Ja. Und – danke, Verena.“
„Gern geschehen. Wenn Sie mögen, versuche ich Ihnen einen Auftrag auf Sylt zu beschaffen. Eine Maklerfirma will diverse Objekte fotografiert haben. “ Die Agenturleiterin lächelte Bettina zu. Sie mochte die höchst begabte und sehr diszipliniert arbeitende Fotografin sehr gern. Nie gab es Schwierigkeiten mit ihr. Bettina Gehrmann arbeitete ebenso kreativ wie pünktlich. Auch die Fotomodelle schätzten ihre Professionalität – und Bettinas Ehrgeiz, aus jedem Gesicht das Optimale herauszuholen. Sogar bei profanen Aufnahmen von Wäschemoden – ein nie sehr begehrter Job – gab sie ihr Bestes.
Davon profitierten im Endeffekt alle, einschließlich Verena Trautinger.
„Das klingt nicht schlecht. Ich freue mich, wenn’s klappt. Sie wissen ja, dass ich Sylt sehr mag.“
„Verständlich. Aber erst mal viel Erfolg in Paris.“
„Danke.“ Zufrieden verließ Bettina das elegante Büro, nickte den beiden Sekretärinnen im Vorzimmer freundlich zu und taxierte im Vorübergehen zwei blutjunge Mädchen, die mit ihren Fotomappen auf den Knien auf einen Termin bei Verena warteten.
Die beiden werden enttäuscht werden, dachte Bettina. Hier in der Agentur arbeitet man seriös, so blutjunge Dinger vermittelt Verena einfach nicht. Welch ein Glück, dass sie sich leisten kann, so dezidiert auszuwählen. Der Jugendwahn, gepaart mit ungesunder Magersucht, der zurzeit bei den Designern angesagt war, wurde inzwischen zu einem Problem der Branche.
Bettina verstand zwar den Ehrgeiz der jungen Mädchen, die unbedingt eine Modelkarriere anstrebten, doch der Preis, den viel dafür zahlten, war einfach zu hoch. Dies war bekannt, umso schrecklicher war es, dass nicht einmal die Eltern der Vierzehn-, Fünfzehnjährigen einschritten, wenn ihre Kinder Raubbau mit ihrer Gesundheit trieben.
Die unschönen Gedanken verflogen, als sie sich daheim auf den neuen Auftrag vorbereitete. Wie immer bei solchen Aufträgen, engagierte sie zwei Assistentinnen, die ihr sowohl bei der Ausrüstung als auch beim Fotografieren selbst helfen sollten. Es waren gute Bekannte aus der Branche. Nadja war verheiratet und hatte einen zweijährigen Sohn, den sie aber für ein paar Tage bei der Oma unterbringen konnte. Renate studierte Grafik-Design und nahm jede Gelegenheit wahr, sich etwas dazu zu verdienen.
„Paris … vielleicht lerne ich da meinen Traummann kennen“, lachte sie, als die drei jungen Frauen französischen Boden betraten. „Stellt euch nur mal vor – die Stadt der Liebe liegt uns zu Füßen.“
„Nein, ein paar Kilometer entfernt von
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