Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
die rücksichtslose Unruhestifterin zu sehen, von der ihr Mann gesprochen hatte, und sie besaß einen guten Instinkt für Menschen. Die Haut an Annies Händen fühlte sich so rau an wie die Rinde des Eukalyptusbaums neben Stargazers Stall. Annie ihrerseits fand Estellas Hände so weich wie Baumwolle. Es schien ihr unendlich lange her zu sein, dass sie selbst eine solche Haut gehabt hatte, und sie musste sich zurückhalten, um Estellas Hände nicht eingehend zu mustern.
Estella spürte, dass Annie über die unerwartete Besucherin nicht besonders glücklich war. »Ich weiß, ich war nicht eingeladen, und deshalb ist es auch kein offizieller Besuch«, sagte sie. »Ich wollte Sie nur gern kennen lernen.«
Annie wirkte überrascht und gerührt zugleich. Dann sah sie Dan an. »Ich glaube, Teddy geht es schlechter als bei meinem Anruf. Ich habe ihn mit einem nassen Schwamm abgerieben, um das Fieber zu senken, aber es hat nicht geholfen.«
»Dann lass uns zu ihm gehen. Sehen wir ihn uns an«, erwiderte Dan und machte sich auf den Weg zum Haus.
Als sie dort ankamen, wandte Annie sich um. »Das alles hiermuss Ihnen ziemlich primitiv erscheinen«, sagte sie zu Estella. »Aber glauben Sie mir, es ist ein Palast im Vergleich zu unserer ersten Behausung auf diesem Gelände.«
»Ich habe Estella schon von euren Anfängen erzählt«, erklärte Murphy grinsend.
»Ach ja, der humpy !« Annie verdrehte die Augen. »Ich war sehr jung und so naiv wie ein neugeborenes Lamm, als wir hierher kamen, aber irgendwie habe ich überlebt.«
»Ich habe noch nie ein Haus wie das hier gesehen«, stieß Estella hervor, als sie durch die offene Eingangstür spähte. »Es ist so ... geräumig, und es wirkt kühl.« Das Haus war bequem eingerichtet, aber es standen nur sehr wenige Möbelstücke darin, und es gab keine der kitschigen Ziergegenstände, die Engländer so liebten. Estella fand es schon wegen des Staubes vernünftig, auf solche Dinge zu verzichten.
»Wir haben das Haus speziell für dieses Klima entworfen«, erklärte Annie. »Die Wohnbereiche sind alle offen und haben hohe Decken, und die Fenster sind mit Lüftungsschlitzen versehen, sodass die Luft zirkulieren kann und die Räume kühl bleiben. Die glatt polierten Böden sind leichter sauber zu halten. Sie können sich bestimmt vorstellen, dass es hier bei der Trockenheit und dem Vieh ständig staubig ist – Teppiche wären unpraktisch und viel zu warm.«
Estella nickte. »Ich muss zugeben, dass der Staub mich verrückt macht.«
»Sie werden sich schon daran gewöhnen. Wir haben das Beste aus unserem Leben hier draußen gemacht, und wir sind glücklich. Natürlich wären wir noch glücklicher, wenn es endlich regnen würde«, fügte Annie hinzu. Sie deutete auf einen Tisch und mehrere Stühle im Schatten der Veranda. »Bitte, nehmen Sie Platz. Ich werde Marlee bitten, uns etwas zu trinken zu bringen.«
Während sie warteten, erzählte Murphy Estella mehr über die Farm. Er sagte, Teddy habe früher tausende von Rindernund Schafen besessen, doch im Lauf der vergangenen drei Jahre sei deren Zahl dramatisch gesunken, und er mache sich die größten Sorgen. »Sie brauchen dringend eine gute Regenzeit, dann wäre ihnen sehr geholfen.«
Marlee erschien mit einem Tablett voller Getränke. Im Haus hörte Estella die Stimmen von Kindern, die wahrscheinlich übers Funkgerät Schulunterricht bekamen. »Wie geht es dir, Marlee?«, fragte Murphy.
»Gut«, gab das Mädchen mit schüchternem Lächeln zurück. Sie war ein schlaksiger Teenager und dunkelhäutig wie eine Aborigine, doch sie hatte die lebhaften blauen Augen ihrer Mutter.
»Was machen Christopher und Philipp?«
»Sie üben Schreiben mit Miss Simms.«
»Hat dein Dad dieses hübsche kleine Pony für dich zugeritten?«
»Ja. Peppercorn ist ein Teufelchen.« Ihr strahlendes Lächeln schwand. »Aber Dad sagt, wir müssen sie vielleicht verkaufen, weil er Geld für Viehfutter braucht.«
Murphy runzelte die Stirn und sah Estella an. »Teddy hat Marlees Fohlen vor wilden Dingos gerettet, als es gerade erst zwei Tage alt war.«
»Und jetzt ist sie schon zwei Jahre alt«, erklärte Marlee stolz.
»Wirklich? Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, als du ihr die Flasche gegeben hast.«
Marlee lächelte wieder, wie Murphy es erwartet hatte.
»Was ist mit ihrer Mutter geschehen?«, wollte Estella wissen.
»Dad meint, sie ist wahrscheinlich wegen der Dürre verhungert«, antwortete Marlee, doch Murphys Miene sagte Estella,
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