Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
dass man dem Mädchen den wirklichen Grund hatte ersparen wollen: Teddy hatte Murphy damals erzählt, dass die Stute an einer Wunde verblutet war, die wahrscheinlich vom Speereines Aborigine stammte. Das Fohlen war schwach vor Hunger und von Dingos eingekreist gewesen, als Teddy es gefunden hatte. Er hatte es als Kämpfernatur eingeschätzt und Recht behalten.
Marlee war anzusehen, dass sie gegen die Tränen kämpfte. »Meine Freundin Kathy Brown ... Sie musste letzte Woche sogar ihre Lämmer hergeben. Sie wurden alle verkauft.«
»Wirklich?« Murphy hatte schon gehört, dass die Browns kurz davor standen, ihren gesamten Besitz zu verlieren. Er zog Marlee an sich und umarmte sie tröstend. Sie lachte in kindlicher Freude, bis er sie zu kitzeln begann und sie sich aus seinem Griff befreite, um im Haus zu verschwinden.
Murphy wurde rasch wieder ernst. »Arme Marlee! Es ist schlimm, wenn die Dürre sogar den Kindern Opfer abverlangt.«
Diese sensible Seite an ihm überraschte Estella. Trotz seiner unkomplizierten Art wirkte Murphy sonst immer zurückhaltend, doch er schien Kinder sehr zu mögen. Estella fragte sich, warum er nicht geheiratet und eine eigene Familie gegründet hatte. Phyllis wäre sicher nicht abgeneigt gewesen.
»Wahrscheinlich müssen sie wie ihre Eltern sehr früh lernen, zurückzustecken«, erwiderte Estella.
»Ja. Aber es scheint mir nicht richtig, dass sie so früh erwachsen werden müssen.«
»Ist hier draußen alles in Ordnung?«, rief Annie und steckte den Kopf aus der Tür.
»Ja, vielen Dank. Würde es Sie sehr stören, wenn ich mich ein wenig umsehe?« Estella hatte sich vorgenommen, einen Blick auf die Rinder zu werfen, doch nicht ohne Annies Zustimmung.
Annie blickte sie nachdenklich an. Sie wusste, um was Estella sie bat, war jedoch unsicher. Sollte sie gegen Teddys Wünsche handeln und tun, was für alle das Beste war? Schließlich rang sie sich zu der Meinung durch, dass ihr Mann imAugenblick nicht klar zu denken schien und sie diese Entscheidung selbst treffen musste. »Nein, schauen Sie nur!«
Estella und Murphy gingen um das Haus herum. Aus der Luft hatten sie in der Nähe einige Rinderkoppeln gesehen und fanden tatsächlich ungefähr zwanzig Kühe in der kleineren von zwei umzäunten Flächen. Einige von ihnen hatten vor kurzem ihre Kälber verloren.
»Teddy muss sich Sorgen um sie gemacht haben, sonst hätte er sie nicht hergeholt«, stellte Murphy fest.
Einer der Viehtreiber kam auf sie zu. Er hielt eine Schaufel in der Hand.
»Hallo, Reg«, begrüßte Murphy ihn.
»Hallo, Murphy. Wann seid ihr gelandet? Ich hab das Flugzeug gar nicht gehört.«
»Vor ungefähr zwanzig Minuten. Du wirst doch auf deine alten Tage nicht taub?«
»Ich war auf dem Donnerbalken und sehr beschäftigt«, erwiderte Reg lachend und deutete auf ein kleines Häuschen ungefähr zwanzig Meter entfernt. Murphy grinste.
Estella hatte hinter Murphy am Gatter gestanden. Eingehend musterte sie die Rinder. Was sie sah, gefiel ihr nicht. Als sie sich umwandte, um Reg zu begrüßen, wirkte dieser verwundert. Murphy hatte Estella halb verdeckt, und sie trug einen Hut, den er ihr geliehen hatte, sodass Reg sie anfangs für einen der Farmarbeiter hielt. Eine attraktive Frau hatte er als Letztes zu sehen erwartet.
Reg Martin und Estella maßen sich mit Blicken. Sie war fasziniert von seiner sonnengegerbten Haut und fand, dass er sehr gut in diese raue Landschaft passte.
Reg seinerseits fand Estella außergewöhnlich attraktiv, was Murphy nicht entging: Er sah Regs Miene und wusste, dass er sich auf den ersten Blick in Estella verliebt hatte.
»Das ist Estella Lawford, die neue Tierärztin «, sagte er deshalb betont.
Reg hob eine Augenbraue.
»Estella, das ist Annies Bruder Reg, der Verwalter von Langana Downs.«
»Es freut mich, Sie kennen zu lernen«, erklärte Estella höflich.
Reg war fasziniert von ihrem Akzent. »Ich war eine Woche unterwegs, deshalb wusste ich gar nicht, dass sich eine Nachfolgerin für Ross Cooper gefunden hat – und dann noch eine so junge und verdammt hübsche«, sagte er grinsend. Er schien nichts dabei zu finden, Estella eingehend zu mustern, und schien auch nicht der Meinung zu sein, dass seine Bemerkung ziemlich plump war.
Murphy wusste, dass Estella für die allein stehenden Männer im Outback – und davon gab es sehr viele – eine willkommene Attraktion war. Und als Witwer mit zwei Kindern suchte Reg schon lange eine neue Frau. Murphy wusste zwar nichts über
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