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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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ein astronomisches Honorar im Voraus bezahlen, und Alan war sicher, der Mann würde sich vom Acker machen, sobald er den Scheck eingelöst hätte. Daher rief er in Chicago an und sagte, sie würden da unten ganz von vorne anfangen müssen. Die Bosse quittierten das mit einem Achselzucken und legten die ganze Sache auf Eis. Aber Alans Heimflug ging erst acht Tage später.
    Er hätte auf der Stelle fliegen können. Aber Alan hatte seit zwei Jahren keinen Urlaub mehr gehabt, und Schwinn hatte ohnehin damit gerechnet, dass er eine Woche oder mehr weg wäre, also fuhr er zurück ins Hotel, sah in der Lobby einen Hinweis auf eine Flussfahrt den Rio Negro hinunter und buchte sie. Er ging nach oben auf sein Zimmer und saß dann den Rest des Abends auf dem Balkon und beobachtete den Verkehr auf der Straße und den Bürgersteigen, die Kinder, die in ihren Schuluniformen bis elf Uhr draußen unterwegs waren. Eine Stunde lang hatte er ein Mädchen beobachtet, das höchstens acht war und mager wie eine streunende Katze. Die Kleine schob unbehelligt und allein einen Kinderwagen voll mit weißen Rosen durch die Gegend. Sie verkaufte nicht eine.
    Am Morgen nahm er einen schnellen Flug nach Manaus an der Mündung des Flusses, der sich auf den ersten Blick nicht großartig vom unteren Mississippi oder überhaupt irgendeinem Fluss unterschied. Er war breit, er war braun. Alan hatte die Reise in der Erwartung eines dichten und überwucherten Dschungels gebucht, durch den sich ein schmaler Fluss wand, mit Affen, die vom Wasser aus zu sehen wären, schnappenden Krokodilen und Piranhas, springenden Amazonasdelfinen. Doch stattdessen musste er, als er am Flussufer eintraf, auf einem provisorisch aus Paletten gebauten Plankenweg eine Riesenfläche Schlamm überqueren, um dann einen alten Flussdampfer aus Holz zu besteigen, der drei Stockwerke hoch war und aussah, als würde er genauso wenig schwimmen können wie eine alte Schindelkirche.
    Die Tage verliefen herrlich einfach. Die Passagiere wachten mit der Sonne auf, dösten eine Stunde und vertrödelten eine weitere nach Lust und Laune auf den Decks, blickten stumpfsinnig auf die vorbeiziehende Landschaft, plauderten träge, spielten Karten, schrieben Tagebuch, lasen Bücher über die Vegetation. Gegen acht wurde das Frühstück serviert, immer irgendwas Frisches – Eier, Kochbananen, Melone, frisches Brot, Saft von Orangen oder Mangos. Nach dem Frühstück kam wieder ein Block Freizeit, und um zehn oder elf legte das Schiff irgendwo an, wo etwas Interessantes geboten wurde. An einem Tag war es ein altes Dorf aus Strohhütten auf Stelzen in den Flussauen, an einem anderen Tag war es eine Wanderung durch den Dschungel, um nach Schlangen und Eidechsen und Spinnen zu suchen.
    Auf dem Schiff schlief Alan mehr, als er für möglich gehalten hätte. Der höhere Sauerstoffgehalt in der Luft, meinten die von der Besatzung. Leute aus dem Norden schliefen viel in den ersten Tagen, sagten sie. Er schlief einfach überall – in seiner Kabine, auf dem zweiten Deck, auf seinem Stuhl, überall. Und immer war der Schlaf so wohltuend wie noch nie.
    An Bord waren zwölf Herpetologen, die meisten von ihnen über sechzig, und Alan und eine junge Frau in seinem Alter. Das war Ruby. Sie war groß und schlank, hatte dicht gelocktes, kurzes dunkles Haar. Alle von der Besatzung waren in sie verliebt, und obwohl sie alle verheiratet waren, machten sie bei ihr Annäherungsversuche, und sie machte sie zur Schnecke. – Ihre arme Frau, sagte sie zu einem von ihnen, einem verheirateten Peruaner, als er während des Abendessens ihre Hand nahm. Sie haben sie nicht verdient, fuhr Ruby fort, wer immer sie ist, wo immer sie ist.
    Von da an blieb Alan in ihrer Nähe, nur um sie reden zu hören.
    Nach dem Tagesausflug legte das Schiff wieder ab und fuhr langsam den Fluss hinunter, und der Nachmittag zog sich ohne Plan oder Verpflichtung dahin. Das Abendessen war immer großartig und wurde mit Bier runtergespült. Nach dem Essen saßen sie an Deck und spielten Karten oder Domino und hörten sich Geschichten von Randy an, dem Kapitän mit zwei Ehefrauen, und Ricardo, dem zweiten Kapitän mit noch viel mehr Ehefrauen. Später verschwanden alle in ihre Kabinen, und Alan saß auf dem Oberdeck, fast ausnahmslos allein. Von dort oben konnte er das weite, unvorstellbare Himmelsgewölbe sehen, die Baumwipfel, die links und rechts vorbeizogen, das Klicken und Schwirren von Vögeln und versteckten Affen.
    Alan hatte nicht mit

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