Ein Hologramm für den König
amüsant zu finden. Also schaute Ruby genauer hin und sah sehr schnell, was die Besatzung so lustig fand. Das Boot, das Alan sich ausgesucht hatte, war nicht seetüchtig, war voller Löcher, und es sank. Das Gelächter der Besatzung wurde stärker, während sie zusahen, wie Alan langsam in den Fluss sank, und als er selbst merkte, dass er sank, und dann hastig versuchte, zu wenden und zum Schiff zurückzurudern, ehe das Boot ganz unterging, lachten sie sogar noch lauter.
Alan war versichert worden, dass die Krokodile absolut keine Gefahr darstellten und nur dann einen Menschen angriffen, wenn sie ausgehungert waren und der Wasserstand sehr niedrig war, aber dennoch gab es bei jedem Waffenstillstand zwischen Tier und Mensch auch Anomalien – jede Woche verlor irgendein Hilfstierpfleger einen Arm im Maul eines Tigers, trampelten Elefanten ihre Dompteure tot –, und nun sank Alan nach und nach in den Rio Negro, gut dreißig Meter vom Schiff entfernt, garantiert zu weit, als dass irgendwer vom Schiff noch rechtzeitig bei ihm sein könnte, falls doch etwas schieflief, falls die Krokodile ihn doch für essbar hielten.
Alan versuchte, nicht panisch zu wirken, versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, wie unwahrscheinlich, ja unmöglich ein Angriff wäre, aber andererseits: Was wäre, wenn? Als er noch rund zwanzig Meter entfernt war, erreichte das Wasser den Rand des Bootes und strömte beängstigend schnell herein. Alans Vorwärtsbewegung erstarb, der Großteil des Bootes verschwand rasch im rostbraunen Wasser, und gleich darauf sank er in den Fluss, in dem es von Krokodilen und was sonst noch allem nur so wimmelte.
Er wäre am liebsten zum Schiff zurückgeschwommen, und zwar schnell, aber er fürchtete, das spritzende Wasser würde Zähne zu seinen wild strampelnden Armen und Beinen locken. Gleichzeitig wollte er das Kanu zurück zum Schiff bringen, denn es war ja seine Idee gewesen, eine Runde rudern zu gehen, eine wahnsinnig bescheuerte Idee, wie er jetzt wusste. Er wollte das Boot, das er mittlerweile zwischen den Beinen festhielt, nicht auf den Grund sinken lassen. Und die ganze Zeit wusste er, dass seine baumelnden Beine wahrscheinlich mit großem Interesse von den Fleischfressern des Flusses beäugt wurden. Und noch immer lachten die Gesichter. Es gab sogar ein paar Gesichter darunter, die das Ganze allmählich langweilig fanden. Sie wandten sich von ihm ab.
Es gab einen Moment, in dem Alan den Flussdampfer anschaute und dachte, Tja, das könnte es echt sein. Das könnte das Letzte sein, was ich im Leben sehe. Es ist ein hübsches Schiff, und ganz oben steht die reizende Ruby, die sich jetzt über die Reling beugt und plötzlich losschreit.
– Helft ihm!
Sie sprang praktisch rein. Sie hing über die oberste Reling und versuchte, die Besatzung auf dem Deck unter ihr auf sich aufmerksam zu machen.
– Nun helft ihm doch endlich, ihr verdammten Arschlöcher!, brüllte Ruby und wiederholte diese und andere Versionen dieser Anweisung, bis eine Minute später drei von der Besatzung in einem Ruderboot saßen und dann bei Alan waren und ihn ins Schlepptau nahmen.
XXII.
ALS ALAN SEIN ZIMMER IM HILTON BETRAT, blinkte das rote Lämpchen an seinem Telefon. Hanne hatte eine Nachricht hinterlassen.
– Ruf mich an, sagte sie.
Er tat es, und sie ging beim ersten Klingeln ran.
– Was hast du heute Abend vor?, fragte sie.
Alan dachte an sein Zimmer, die verzweifelten Abenteuer, die er hier haben könnte. Das Bett, der Spiegel, der Schnaps.
– Nichts, sagte er.
– Komm zu mir nach Hause, ich koche was.
– Darf ich das denn?
– Wo ich wohne, stört das keinen.
– Du musst nichts kochen. Ich kann dich irgendwo zum Essen einladen.
– Nein, nein. Es ist netter, bei mir zu essen. Und einfacher.
Er rief Yousef an. Er erreichte seine Mailbox.
– Rufen Sie mich an. Ich möchte zu einer Freundin nach Hause, und Sie sollen mich hinfahren.
Yousef würde das gefallen. Alan rechnete jeden Moment mit einem Rückruf, doch auch nach dreißig Minuten nichts. Yousef war noch nie unerreichbar gewesen. Dumpfe Besorgnis stieg in Alan hoch. Alan schickte ihm eine SMS und erhielt keine Antwort.
Alan bestellte an der Rezeption einen anderen Fahrer, kaufte ein paar Blumen in der Hotellobby und stand eine Stunde später bei Hanne vor dem Tor.
Er klingelte. Er sah einen Schatten, der sich durch ein oberes Stockwerk bewegte.
Die Tür ging auf, und da war sie. Sie trug eine ärmellose Seidenbluse und eine schwarze Hose. Sie war
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