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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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sind geöffnet. Überall wird gelauscht und gelesen. Auch die Büchershow ist für Sie mit dabei. Wir berichten live vom Bettelneckplatz. Hinter mir sehen sie übrigens einen faszinierenden Brunnen. ›Tanz auf dem Vulkan‹ heißt er. Am besten gefällt mir der klavierspielende Satyr im Wasserfall. Ist er nicht wundervoll?«
    Die Kamera schwenkte kurz zur Seite.
    »Nettelbeck«, zischte die Rüttgers und schüttelte missbilligend den Kopf.
    »So!«, rief Natalie betont munter, als sie wieder ins Bild kam. »Jetzt geht es auch schon los mit der ersten Buchvorstellung. Äh, wie bereits erwähnt, berichten wir live vom B… Nettelbeckplatz!«
    Die Rüttgers verdrehte die Augen. Dann schenkte sie der Autorin von Flammendes Schwert des Verlangens ein reptilhaftes Lächeln und machte sich auf die Suche nach Ken Follett.
    » Sei glücklich – wünsch es dir jetzt!« , rief Natalie. Aus den Augenwinkeln sah sie die Rüttgers im Eilschritt verschwinden.
    »Wenn es nicht wie ein Befehl klingen würde«, fuhr Natalie fort und hielt das Buch in die Höhe, »könnte man ja schon fast darüber lachen. Wurden wir in den letzten Jahren nicht bereits mit unzähligen vermeintlichen Sachbüchern gequält, die uns weismachen wollten, dass das Universum ein großer Supermarkt sei und wir unsere Wünsche einfach in einen Wagen zu schmeißen hätten wie Dosenobst bei Aldi, und schon würde eine himmlische Wunscherfüllungs-Maschinerie in Aktion treten? Hat das eigentlich bei irgendwem geklappt? Bei mir übrigens nicht, sonst würde ich auch nicht hier rumstehen und geistlose Bücher empfehlen. Doch dies nur am Rande.« Natalie registrierte den irritierten Gesichtsausdruck des Kameramannes. »Also, verehrte Leserschaft!«, rief sie und warf Sei glücklich – wünsch es dir jetzt! hinter sich. »Hinfort mit Lebenserfahrung, Selbsterkenntnis und Eigenverantwortung, stattdessen lieber losgewünscht! Wollten Sie schon immer reich und schlau sein? Ja, worauf warten Sie denn noch? Wünsch-wünsch, hex-hex, und wenn Sie genügend Schwachsinn dieser Art konsumiert haben, sind Sie reif für einen der vielen verstiegenen Mittelalter- und Schmachtromane, in denen man sich auf die Bösen verlassen kann, denn sie sind immer so richtig schön böse, während die Guten alle mit einem Heiligenschein zur Welt kommen.« Natalie hielt ein Buch in die Kamera, auf dessen Cover eine Frau mit Häubchen und tückischem Lächeln vor schwelenden Burgtrümmern stand.
    »Und damit Sie sich nicht allzu sehr daran stören, wie anspruchslos das literarische Niveau eigentlich ist, werden Sie mit zahlreichen Folter-, Vergewaltigungs- und Gemetzelszenen bei Laune gehalten. Abgehackte Hände, aufgeschlitzte Leiber, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Aber keine Sorge: denn schon bald schmelzen die Herzen wieder wie Butter in der Sonne, und …«
    »Na, hören Sie mal!«, rief die Autorin von Flammendes Schwert des Verlangens und drohte mit einer Stricknadel. Doch Natalie blieb unbeeindruckt. Sie war die Königin der Büchernacht, zumindest die vom Nettelbeckplatz, und jetzt wollte sie gefälligst ihre Rachearie zu Ende singen. Gerade kam die Rüttgers wieder angerannt (ohne Ken Follett). Natalie sprach hastig weiter: »Leute, denen man sogar verbieten sollte, Tagebuch zu schreiben, und Verlage, die …«
    »Dreht ihr doch endlich den Saft ab!«, rief jemand gellend.
    Die Rüttgers stellte sich vor Natalie ins Bild. »Meine Damen und Herren, leider …« – »Hey, ihr mündigen Bürger da draußen!«, schrie Natalie über ihre Schulter hinweg. »Lasst euch nicht für dumm verkaufen und lest, was es verdient, gelesen zu werden, und nicht nur das, was am meisten Werbung bekommen hat, lest zum Beispiel …«
    »Hups, jetzt haben sie sie abgewürgt«, sagte David, der mit Theodor vor dem Fernseher saß. »Schade, sie ist gerade so richtig in Fahrt gekommen. Was hat sie denn mit ihren Haaren gemacht? Sie sieht ja aus wie Marcia Cross.«
    »Meinst du, ich bin dafür verantwortlich zu machen?« Theodor knabberte an seinem Daumennagel. »Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen könnte, wäre ein Prozess.«
    »Ach Quatsch. Deutschland ist ein freies Land. Da darf jeder seine Haare so tragen, wie er mag.«
    »Kannst du ein Mal ernst sein, David?« Theodor erhob sich und begann, auf und ab zu gehen.
    »Warum siehst du es so negativ?«, antwortete David. »Ich fand ihren Auftritt ganz fabulös. So authentisch. Eine Frau voller Drama und Leidenschaft. Mit einem Willen. Mit einer

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