Ein Hummer macht noch keinen Sommer
David.«
Er nickte wissend.
Sie schwiegen.
»Herthalein?«
»Ja?«
»Könnte das unser kleines Geheimnis bleiben?«
»Wie meinst du das?«
»Ich möchte nicht, dass Theodor erfährt, dass du … also, dass nicht ich …«
»Schon klar.«
»Danke, Hertha.«
»Bitte. Und so einen Reinschtick wünsch ich mir zu Weihnachten.«
»Sollst du bekommen, meine Liebste.«
»Fein. Du und Theodor, ihr vertragt euch also wieder?«
David nickte lächelnd. »Das war ein hartes Stück Arbeit.«
Hertha wedelte mit den Händen. »Und was ist jetzt mit Rudolf?«
»Ich erreiche ihn nicht.«
»Also, mir hat er heute Morgen eine Salbe empfohlen, die bei Nackenverspannung wahre Wunder wirken soll.«
»Ihr steht in Kontakt?«, rief David entgeistert.
»Selbstverständlich.«
»Vielleicht könntest du ja dann bei nächster Gelegenheit mal mit Rudolf reden und ihm sagen, dass …«
»Nein, mein Junge«, unterbrach ihn Hertha. »Ich kann nicht alles in deinem Leben regeln. Das musst du schon hübsch alleine machen. Und vergiss nicht, dass es Teil unserer Vereinbarung war, sonst erzähle ich Theodor, dass …«
»Schon gut, ich mache es ja.«
»Das will ich auch hoffen.«
»Wie geht es denn meiner Rosie?«, fragte David zärtlich.
»Sie vermisst dich.« Hertha stand auf. »Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest. Ich muss los, ich habe gleich eine Französischstunde. Au revoir . Und merci pour la Einladung.«
»Au revoir.«
Nachdenklich sah David der kleinen alten Dame hinterher, die strammen Schrittes das japanische Restaurant verließ, in das er sie gerade zum Mittagessen eingeladen hatte.
Sie winkte ihm von draußen noch mal durch die Scheibe zu, dann spannte sie ihren geblümten Schirm auf und wurde im nächsten Augenblick von einem Rudel Rucksacktouristen in Richtung Hackesche Höfe fortgeschwemmt. David ließ die Hand sinken, starrte aber weiterhin auf die Neue Schönhauser Straße hinaus und begann angestrengt über sein Leben nachzugrübeln. Begriffe wie Vergebung, innerer Frieden und Barbies zauberhafte Pferdewelt kreisten wie Comic-Sprechblasen über ihm, und ein merkwürdiges Sehnen zog sein Herz in die Länge.
Eigentlich ist doch alles gar nicht so schlimm, sagte er sich.
So wie ihm verziehen worden war, würde er einfach diesem Schlawiner Rudolf verzeihen, und wenn er schon mal dabei war, könnte er auch gleich seiner Mutter eine Postkarte aus Berlin schicken. Und dann würde er sich ernsthaft um seine Hummer kümmern, Galerien abklappern und weiter an den Fast-Food-Flowers malen. In einem sauberen, stillen Atelier.
David atmete auf.
Und am Ende solch eines Arbeitstages könnte er ja dann nach Charlottenburg fahren und ganz gemütlich mit Theodor zu Abend essen.
Keine Eskapaden mehr. Davon hatte er ein für alle Mal genug.
Entrückt lächelte David aus dem Fenster. Die Zeiten der Mehrgleisigkeit waren vorüber. Er war erwachsen geworden, befand er, und das war gut so. Er musste jetzt für Theodor da sein. Ein treuer, liebender, beständiger Lebenspartner wollte er ihm sein, denn so einen wie Theodor – David schluckte – gab es nur einmal. Da war er todsicher.
Plötzlich fühlte sich David ganz eins mit sich und der Welt, und er glaubte, die Zusammenhänge in seinem Leben zu erkennen. Ganz kurz konnte er sogar die weitere Entwicklung vorausahnen, und ein großes Glücksgefühl überschwemmte ihn.
Nun hielt ihn nichts mehr auf seinem Stuhl, er sprang auf, legte einen Geldschein neben seinen Teller, rief »Sayonara« und rannte hinaus in einen sonnigen Nachmittag, der ganz metaphorisch für den Rest seines Lebens zu stehen schien.
▶◀
Theodor zerbrach sich den Kopf darüber, wo er sich mit Natalie treffen könnte. An einem öffentlichen Ort, so viel stand fest.
»Geh doch mit ihr in ein Konzert«, riet David.
»Wie soll ich denn da mit ihr reden?«
»So wenig wie möglich eben.«
»Aber sie neigt zu Gefühlsausbrüchen«, widersprach Theodor. »Stell dir vor, sie fängt in der Philharmonie an zu schreien, mitten in Vladimir Mogilevsky hinein.«
David nickte verstehend.
»Und wie soll ich mich überhaupt formulieren?«, fragte Theodor.
»Warum machst du es dir so schwer? Du sagst, dass du wieder mit mir zusammen bist, und fertig.«
»Wenn wir schon dabei sind …« Theodor legte den Kopf schief, »was ist mit uns?«
»Was soll sein?«
»Ziehst du nun zu mir oder nicht?«
David stöhnte auf. »Geht das schon wieder los? Das kann einfach nicht wahr sein, Theodor.«
»Du willst
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