Ein Hummer macht noch keinen Sommer
dir also nach wie vor eine Hintertür offen lassen?«
»Nimm doch nicht immer alles so persönlich!«, rief David. »Und bedräng mich nicht!« Er schlug sich auf den Kopf. »Huch? Merkst du was? Die Platte hat einen Sprung! Diese Sätze habe ich in meinem Leben schon so oft gesagt. Merkwürdig, dass sie nie verstanden worden sind.«
»Ja, ja!«, meckerte Theodor. »Du glaubst nach wie vor, dass deine Probleme verschwinden, wenn du sie nur lange genug ignoriert hast, aber ich sag dir was, David: Das hat noch nie geklappt!«
»Iiiich ignoriere Probleme? Ganz im Gegenteil, ich würde sogar behaupten, dass du derjenige bist, der …«
»Schon gut.« Theodor hob die Hände. »Schon gut.«
David schnappte empört nach Luft. »Wir sollten zu einem Eheberater gehen.«
»Wozu?«
»Um uns beraten zu lassen?«
»Wir sind ja gar nicht verheiratet.«
»Darum geht es doch nicht, Theodor. Wir brauchen Rat von einem Psychologen, der uns in partnerschaftlichen Angelegenheiten weiterhilft. Was meinst du?«
Theodor schüttelte den Kopf. »Ich gehe doch nicht zu so einem … Psychotypen und pack vor dem meine intimsten Probleme aus!«
»Ach nee. Und warum nicht?«
»Darum nicht.«
»Das ist die Antwort eines Fünfjährigen.«
»Gut, wunderbar. Was sag ich denn nun der Frau Schilling?«
»Dass du laut Freud aus deiner narzisstischen Phase eigentlich nie ganz herausgekommen bist.«
»Hey«, protestierte Theodor lachend. »Dein Halbwissen bricht dir eines Tages noch das Genick.«
David zuckte mit den Schultern. »Schreib ihr einfach eine Mail.«
»Nein, nein, etwas mehr bin ich ihr schon schuldig.«
»Dann geh mit ihr in den Zoo. Und auf der Krokodilbrücke sagst du ihr, dass du schwul bist.«
»Vielleicht springt sie dann runter?«
»Nimm dich nicht so wichtig, Theodor.«
»Stimmt.«
»Also los, ruf sie an.« David reichte ihm das Telefon.
»Ich glaube, ich gehe lieber in den Botanischen Garten mit ihr«, erwiderte Theodor.
David verdrehte die Augen. »Mach, was du willst. Aber bring es endlich hinter dich.«
▶◀
Theodor hinterließ zwei Nachrichten auf Natalies Anrufbeantworter und wartete vergeblich auf einen Rückruf.
Natalie war nicht zu Hause.
Sie hatte zuerst einige Stunden in einem türkischen Hamam verbracht und sich bei der traditionellen Ganzkörper-Seifenmassage gefragt, ob sie vielleicht gerade dabei war, einen neuen Fimmel zu entwickeln (einen Reinlichkeitstick oder so etwas in der Art). Aber nein, beruhigte sie sich, ich will nur für den Live-Auftritt porentief rein sein.
Dann war sie zum Friseur gegangen, um sich ihr Haar abschneiden zu lassen, anschließend hatte sie sich ein neues Outfit gekauft, Notfalltropfen auf ihre Zunge geträufelt und eine Überdosis Baldrian geschluckt.
Heute Nacht sollte Fernsehgeschichte geschrieben werden. Und Natalie hatte sich die Hauptrolle zugedacht …
Annegret Rüttgers reckte beide Daumen in die Höhe und nickte Natalie zu. »Wir haben ja alles besprochen, Frau Schilling. Um Mitternacht sind wir auf Sendung.«
Natalie fand sich wunderschön. Sie trug ein Etuikleid aus hellgrün schimmernder Seide und hochhackige, silberne Sandalen. Ihr Haar war nun kinnlang und in der Mitte gescheitelt. An ihren Ohren baumelten die Jade-Ohrringe aus dem Asia-Laden.
Suchend sah sie sich um: »Wo ist denn Stephen King?«
»Der ist beim ZDF auf dem Pariser Platz.« Annegret Rüttgers schüttelte bedauernd den Kopf. »Die sind doch alle dermaßen käuflich. Aber ich interviewe nachher die Autorin von Flammendes Schwert des Verlangens .« Sie deutete auf eine Frau, die auf einem Klappstuhl saß und strickte.
»Super«, sagte Natalie. »Und hier im Wedding ist es ja auch nett.«
»Wir sind gleich dran. Sind Sie bereit?«
»Selbstverständlich.« Natalie zuckte gelassen mit den massierten Schultern. »Vorhin habe ich übrigens Ken Follett getroffen.«
»Was?«
»Netter Typ. Sprach viel über den Sturz der Titanen . Ich hatte den Eindruck, dass er gern interviewt worden wäre.«
»Echt? Wo ist er denn jetzt?«, fragte die Rüttgers.
»Der ist in das Café da drüben gegangen.«
»Es geht los!«, rief jemand.
»Schnell, schnell …« Die Rüttgers schob Natalie vor sich her, Lichter gingen an.
»Uuuuund Äktschn!«
»Herzlich willkommen bei Wir lesen durch bis morgen früh «, sagte Natalie ins Mikrofon und lächelte breit. »Freuen Sie sich auf eine ganz besondere Nacht! Eine Nacht, die in ganz Berlin nur den Büchern gewidmet ist. Alle Buchhandlungen der Stadt
Weitere Kostenlose Bücher