Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hund mit Charakter

Ein Hund mit Charakter

Titel: Ein Hund mit Charakter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
Vom Netzwerk:
der Nähe sein! … vermeldet er mit der Sprache seines ganzen Wesens, die nervösen Ohren, der hochstehende buschige Schwanz senden Signale aus. Und Tschutora irrt sich nicht, niemals. Sie muß bereits durchs Tor gehen, kommt schon die Stiege hoch, teilt er in immer begeisterter geäußerten Morsezeichen mit. Dann kläfft er einmal in seiner Aufregung. Stürzt ins andere Zimmer, stellt sich vor den Herrn, bellt ihn an, hüpft ihm aufs Knie, rast zurück zur Tür, versucht mit den Vorderpfoten die Türklinke zu erreichen, wirft sich mit der Brust gegen die Tür, jagt noch einmal in Kreisen durch die Wohnung, sein Geheul, Gerenne und andere Zeichen der Freude, die alle Erklärungen überflüssig machen, annoncieren überschwenglich: »Sie kommt! … Verstehst du denn nicht? … Sie ist da! Was für ein Glück! Juchhe! Gleich tritt sie ein!« Dann stemmt er die Vorderpfoten gegen die Tür, verharrt in der Stellung, um sie gleich ganz in Besitz zu nehmen. Und erst jetzt dreht sich der Schlüssel im Schloß der Vorzimmertür.
    Mit einem Satz springt er an der Eintretenden hoch, plumpst auf den Boden zurück, rutscht aus, überschlägt sich und stürmt, als könnte er das Glück der körperlichen Nähe kaum ertragen, in großen Kreisen durch die Zimmer, wirbelt die Teppiche durcheinander, rennt um, was im Weg steht, als hätte er eine aufgestaute unendliche Freude auszutoben. Danach erst kommt er zu sich, hüpft wieder an der Dame hoch, quittiert ihre Heimkehr mit fröhlichem Gebell, mit Schweifeln und Schnuppern und wirft sich dann plötzlich erschöpft auf den Teppich. Hechelnd und mit hängender Zunge, aber strahlenden Auges und mit unmißverständlich liebevollem Blick, fixiert er die Erscheinung, die den Gefahren der Welt entgangene, heimgekehrte Dame.
    Ist es wirklich ein solches Ereignis, wenn jemand heimkommt aus der verwirrenden, gefährlichen Welt? Unbedingt, meint Tschutora.

Jugend

    Morgens um halb neun, im allgemeinen also zirka drei Stunden nach Sonnenaufgang, steht Theres auf. Recht hat sie. Der Herr zündet sich im noch dunklen Zimmer, im Bett liegend, die erste Zigarette des Tages an und würde sich gerade dem ganz und gar schwere- und verantwortungslosen Brüten hingeben, dem die Minuten nach dem Wachwerden gewidmet sind und das – zwischen Schlafen und Wachen – den morgenfrühen Probelauf des Bewußtseins darstellt; da sind aus dem Nebenzimmer Laute zu vernehmen. Sie stammen von Theres, die um diese für sie frühe Stunde das Eßzimmer aufräumt und dabei zugleich Tschutoras Erziehung vorantreibt. Ihre pädagogischen Grundsätze sind ziemlich starr. Der Hund bekommt allmorgendlich dieselben ermahnenden Sätze zu hören – gierig saugt der Herr den heißen, bitteren Tabakrauch der Morgenzigarette in sich hinein und lauscht dabei, ein wenig abwesend, den gedämpften Geräuschen. »Läßt du jetzt den Besen«, schimpft Theres den Hund jeden Morgen, »was findest du bloß an diesem Besen? O du Teufel.« So redet sie in einem fort. Bestimmt würde Tschutora den Besen lassen, wo er ist, wenn sie nicht ständig damit um ihn herumkehren und ihn so zum Spielen reizen würde. Dame und Herr haben längst mitbekommen, auch wenn es zwischen ihnen aus Gründen des Taktes kein Thema ist, daß Tschutora zu Theres nur höflichkeitshalber freundlich ist; Feingefühl und Gefälligkeit sind es, die ihn veranlassen, ihr das langweilige Aufräumen durch sein Dazwischengehen und Mitmachen etwas kurzweiliger zu gestalten. Tschutora schätzt das Personal nicht besonders und denkt nicht daran, sich bezüglich seiner gesellschaftlichen Stellung mit ihm auf eine Stufe zu stellen. Man mag das empörend und, was ihn angeht, unverständlich finden, aber so ist es. Theres scheint bereits so etwas zu ahnen, denn ihre Zuneigung zu Tschutora wandelt sich allmählich in eine beleidigte Eifersucht. »Schlau bist du ja«, setzt sie ihre Predigt in ernstem Ton fort, dabei ist nicht genau auszumachen, ob sie damit loben oder tadeln will, »schlauer als zehn Hunde.« Und sie wartet auf die Wirkung. »Wer weiß, vielleicht hast du so viel Verstand wie Lajos Kossuth. Was gähnst du?« Auf diese seltsame Art redet sie mit dem Tier. Und sie redet ununterbrochen. »O du mit deinem Besen! Und dem ewigen Gähnen! In der Küche gefällt’s dir, was? Immer nur in der Küche. Bei Tisch tust du bescheiden, als ob du kein Wässerchen trüben könntest. Laß den Besen, und gähn nicht soviel!«
    Eine Viertelstunde lang geht das törichte Geplapper

Weitere Kostenlose Bücher