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Ein Hund mit Charakter

Ein Hund mit Charakter

Titel: Ein Hund mit Charakter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Sein reuevolles Verhalten und die Nachdenklichkeit sind natürlich vorgetäuscht, denn wir können sicher sein, daß er bei nächster Gelegenheit genauso giftig und haßerfüllt, mit derselben infernalischen Wut eines Agitators auf den Balkon stürmt, um aufwiegelnde Anfeuerungsrufe hinunterzubellen, wenn er von der Táborgasse her Hufgetrappel vernimmt.
    O du treuherzige Kreatur! Naiv und einfältig hast du dich auf eine ganz falsche Fährte verirrt! Ach, es ist ja eine so ungefährliche und harmlose Tat, ferne, arrogante indifferente Feinde zu verbellen, während wir vor der Willkür kleinerer, uns näher stehender, ordinärerer Mächtiger den Schwanz einziehen!
    So erweist sich Tschutora durchaus nicht als Held, wenn ihn die Dame auf der Lógodigasse spazierenführt. In dieser Sackgasse mit dem romantisch klingenden Namen lauert nämlich der namenlose Bluthund, der gefürchtete mürrische Feind seiner Jugend, der hinter einem Gitterzaun seinen gnadenlosen Wachdienst versieht. Auf dem zur Attilastraße steil abfallenden Grundstück, das er zu bewachen hat, lagert massenhaft all das, was das Leben der weiteren Aufbewahrung nicht mehr für würdig hält: alle rostigen Bratpfannen, henkellosen Kochtöpfe, verbeulten Küchenherde der Christinenstadt, der gesamten Wasserstadt und Altofens, dazu zahllose rostzerfressene Ofenrohre, Rauchfänger, der Materialvorrat pleite gegangener Spengler, bettuchgroße Bleche, ausrangierte Räder, Ketten, Eisenstangen, Schienenstücke, Metalle jeder Art – ausgenommen natürlich Edelmetall –, kurz alles, was ein oder mehrere Stadtviertel satt haben, ausmustern und in den Abfall befördern; hier türmt es sich seit Jahrzehnten zu rostigen Bergen und verbreitet die triste und ohnmächtige Schwermut nutzlos gewordenen und zum Tode verdammten Geräts. Der Hund ohne Namen aber streicht bei Tag und bei Nacht über das steile Gelände, als hätte er nicht verrottetes Kochgeschirr, sondern den Schatz aus Tausendundeiner Nacht zu hüten – allein und herrenlos, denn niemals wurde auf diesem Rostfriedhof ein Mensch gesehen, und noch nie hat jemand vernommen, daß der Zerberus dieser Unterwelt aus Schrott mit Namen gerufen worden wäre. Mit einem einzigen Riesensatz erstürmt er den steilen Hang, taucht zwischen den Ofenrohren auf, und sein ganzer Haß gilt Tschutora. Die Abneigung ist eine ganz persönliche, sie ist nicht auf irgendeine Rasse gerichtet, sondern speziell auf den Hundewelpen Tschutora. Immer wieder konnte die Dame beobachten, wie der verwahrloste, struppige Köter mit seinen blutunterlaufenen Augen – offenbar ein ältlicher Junggeselle, der beim Hüten von altem Eisen längst selbst Rost angesetzt hat – unaufgeregt und gelassen mit anderen Hunden und gelegentlich sogar mit Menschen durchs Gitter kommuniziert! Doch kaum biegt Tschutora in Begleitung der Dame um die Ecke der benachbarten Gasse, so ertönt von der Gittertür am unteren Ende des Grundstücks her das unheilverheißende, verächtliche Wutgeheul des schäbigen Wächters. Sobald die Dame und ihr Schützling an dem wackeligen Zaun angekommen sind, der das Revier der ungemütlichen Bestie fast nur noch symbolisch abgrenzt, so schickt das Scheusal den beiden schon seine wilden Schmähungen in allen Tonarten entgegen, versucht sie mit akrobatischen Sätzen zu erreichen; aus seinen schaumtriefenden, schlabbernden Lefzen ergießt sich eine solche Flut von Insultationen und Beschimpfungen über Tschutora, daß die Dame, der man sonst wahrlich nicht Prüderie vorwerfen kann, in mehreren Wellen schamrot wird. Es wäre äußerst genant, sich in menschlicher Sprache auch nur vorzustellen, welches Füllhorn von obszönen Gemeinheiten dieser Erzfeind dem jungen Hund entgegenschleudert; denn es ist kaum anzunehmen, daß er mit dem Ingrimm, mit dem mal heiseren, mal ohrenzerreißenden Gebell Koseworte artikulieren möchte. Rätselhaft, was die beiden gegeneinander haben. Am peinlichsten aber findet die Dame, daß man diesen infernalischen Lärm in der ganzen Christinenstadt hören kann. Wer mit den komplizierten Verhältnissen in diesem Viertel vertraut ist, der wird die Sorgen der Dame verstehen und es gar nicht erstaunlich finden, daß sie ernstliche Befürchtungen hegt, durch diese wüsten Schmähungen des fanatischen Feindes könnte nicht nur Tschutoras Ruf, sondern der der ganzen Familie Schaden nehmen. »Der Hund dieses Schreiberlings wird verbellt«, sagen sich da manche im Viertel hinter ihren Kattunvorhängen, Leute,

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