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Ein Hund mit Charakter

Ein Hund mit Charakter

Titel: Ein Hund mit Charakter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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überhaupt nicht in Frage. Doch es muß gehandelt werden – und er entschließt sich, den Hund ab sofort zu dressieren.
    Ein eitler, müßiger Vorsatz, ja, besonders jetzt, da wir uns zurückbesinnen, sehen wir, daß dies eine eitle Absicht war! »Ich mag dich, aber ich kriege dich klein!« sagt er also mit Georges Ohnet in freundlichstem Ton, aber fest entschlossen zum abgemagerten Hund. Was für ein hochtrabender Spruch! Als ob so etwas möglich wäre! Jemanden gleichzeitig zu lieben und klein zu kriegen, es sei denn sich selbst … »Que messieurs les assassins commencent!« bemerkt er noch und weist den Hund zurück, sobald der sich ihm nähert, als ob nichts geschehen wäre. Tagelang wehrt er die Annäherungsversuche des Tieres ab, sieht über ihn hinweg, Tschutora ist für ihn Luft, auf seine Begrüßung reagiert er nicht. Das Tier bleibt in zwei Schritt Entfernung vor ihm stehen, steht, starrt ihn an, wedelt ratlos mit dem Schwanz und scheint zu sagen: »Was ist? Kann es so etwas geben? Einfach so, von einem Tag zum andern? Weil ich den Briefträger gebissen habe?« Er fragt es ergriffen, mit unendlichem Ernst. Der Herr kämpft schon gelegentlich mit der Versuchung, ihn heranzuwinken, aber irgendeine bornierte Theorie, die These, daß man mit Strenge etwas erreichen kann, hindert ihn daran. Am Morgen, wenn er aus seinem Zimmer kommt, springt der Hund von seinem Lager auf, von den Lumpen, die er sich hinter den Ofen gezerrt hat, und eilt auf ihn zu. Seine Natur veranlaßt ihn zu jubeln, sich zu freuen, seinen Herrn unbefangen und laut zu begrüßen, doch die Erfahrungen der letzten Zeit, die schmerzhaften und demütigenden Enttäuschungen legen ihm Zurückhaltung auf. Mit stürmischem Schwanzwedeln, aber sonst bewegungslos bleibt er vor dem Ofen stehen, wagt nicht, wie sonst die Vorderpfoten gegen die Knie des Herrn zu stemmen und ihm mit der feuchten, kalten Nase einen Kuß auf die nach Tabak riechenden Finger zu drücken. Er wartet, steht unter äußerster Anspannung. Das kleinste Zeichen, schon ein leichtes Kopfnicken würden Acht und Bann aufheben – doch der Herr registriert keinen Hund in seiner Nähe. So wartet Tschutora noch eine ganze Weile, konzentriert, mit ungläubiger Miene, in unbeholfener Habachtstellung – er wartet, bis der Herr sein Frühstück beendet, die erste Zigarette geraucht und die Zeitungen durchgeblättert hat, erst wenn im Bad die Wasserhähne aufgedreht werden und ihm das Plätschern in der Wanne zu verstehen gibt, daß ihn der Herr jetzt gleich allein lassen und auch heute wie in den vergangenen Tagen ohne ein Zeichen der Versöhnung weggehen wird, beginnt er zu murren und kriecht empört und beleidigt auf sein Lager hinter dem Ofen zurück; er hört den ganzen Tag nicht mehr auf zu knurren und zu kläffen.
    Gemeinsame Spaziergänge kommen unter diesen Umständen erst gar nicht in Frage, bei seinen Ausgängen muß Tschutora sich jetzt mit der Gesellschaft von Theres oder der Dame begnügen, was aber ganz und gar nicht das Richtige ist. Manchmal, wenn die Dame und der Herr spätnachts und übersät mit Gerüchen fremder Menschen aus irgendwelchen öffentlichen Veranstaltungen, aus dem Theater oder einem Restaurant heimkehren und Tschutora aus tiefem Schlaf aufschreckt, springt er, die Ächtung vergessend, begeistert den Herrn an, trunken von Schlaf und Freude. Doch wenn dann keine Reaktion erfolgt, weder eine freundliche noch eine abweisende, und der Herr ohne ein Wort ins andere Zimmer weitergeht, besinnt er sich, niedergeschlagen wartet er noch eine Weile, dann dreht er sich um und trottet mit gesenktem Kopf zu seinem Lager zurück. Eines Morgens wacht Tschutoras Herr auf, als der Hund die angelehnte Tür mit der Nase leise aufschiebt und im Halbdunkel auf der Schwelle stehenbleibt; er steht schon eine ganze Weile da, ungelenk, zottelig und völlig regungslos, die Ohren gespitzt, und beobachtet mit seinen glänzenden Augen unerschütterlich den Schlafenden. Er rührt sich auch nicht, als sein Herr das Licht anknipst, sich eine Zigarette dreht und, als nähme er den morgendlichen Besucher gar nicht wahr, in einem Buch zu lesen beginnt. Peinliche zehn Minuten vergehen. Und so leise, wie er gekommen ist, macht er sich auf, wendet den Kopf noch einmal um und geht dann langsam, wie er gekommen ist, aus dem Zimmer.
    Natürlich schließt er sich in dieser Zeit der Dame an, um so mehr, als er eindeutig und unmißverständlich in sie verliebt ist. In den letzten Wochen nagt er nur noch

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