Ein Jahr – ein Leben
vorher also ein paar Worte überlegt: Liebe, Trennung, Schmerz, Neuverlieben, und habe davon erzählt, dass der Film von Menschen handelt, die über das Leben und vom Leben Bescheid wissen. Ich habe also versucht, in dieser Unterhaltungssendung den Film so unterzubringen, dass es passt. Thomas hat mich ganz zauberhaft angekündigt: Sie ist eine Schauspielerin, die große, populäre Filme dreht, aber sie kämpft auch für die kleinen! Das hat mir gefallen. Ich war erstaunt, dass dann plötzlich doch ein Filmausschnitt gezeigt wurde. Erinnern Sie sich noch an den Auftritt von Götz George?
Sie meinen den Eklat?
Ja.
1998 war er zu Gast bei »Wetten, dass …?» und warf Gottschalk vor, er interessiere sich nicht für den ernsthaften Kinofilm, den George mit Corinna Harfouch gedreht hatte, »Solo für Klarinette«: »Komm auf den Film zu sprechen, der ist mir wichtiger als das, was du redest.« Empörung im Publikum.
Ich bewundere Götz aus zwei Gründen: Einmal natürlich wegen seiner Schauspielerei. Mindestens aber genauso sehr dafür, dass er es geschafft hat, sich weitgehend zu entziehen, kaum öffentliche Auftritte, höchst selten ein Interview. Er spricht durch seine Filme, sonst nicht. Das habe ich versäumt. Ich habe es auch nie gelernt. Im Nachhinein denke ich, das wäre der Zustand, der mir am besten gefallen würde: Wenn die Arbeit das ist, was spricht, und nichts anderes mehr erklärt werden muss.
Es wurden am Samstag auch noch andere Ausschnitte in der Sendung gezeigt, von früheren Auftritten, Fernsehmomente, die Sie mit Thomas Gottschalk zeigen. Sie haben das spontan kommentiert: »Wir sehen ja heute viel besser aus als damals.«
Ja, das war das Erste, was ich dachte, als ich die Bilder sah. Ich meine mit »besser« nicht »schöner«. Ich meine, dass wir »mehr wir« sind. Thomas und ich sind ja gleich alt, beide 61 , und wenn ich uns sehe, denke ich: Unser Leben zeigt sich auch in unseren Gesichtern. In diesen Gesichtern ist der Weg zu erkennen, den wir gegangen sind. Und das ist etwas anderes, als wenn du noch ein bisschen doof aus der Wäsche glotzt, suchst und dich fragst, wer möchtest du eigentlich sein? Ich bewundere junge Menschen, die das früh für sich erkennen.
Und die junge Schauspielerin Iris Berben? Was hat sich in deren Gesicht gezeigt?
Wenn ich manche alte Filme von mir wiedersehe, betrachte ich mich mit einer gewissen Wehmut. Damals »Kaufhausbrand«, der Film zu Baader-Meinhof-Ensslin, mit Margarethe von Trotta, wo ich mich praktisch selbst gespielt habe. Oder die Filme, die ich mit Rudolf Thome gemacht habe, »Detektive«, »Supergirl«. Ich sehe ein wunderschönes Mädchen, so unwissend, so selbstsicher. Meine Selbstsicherheit war damals größer als heute. Ich dachte wirklich, wir werden uns die Welt untertan machen.
Der Vorteil der Jugend: Keine Angst vor dem Scheitern, weil es keine Fallhöhe gibt.
Ja, beneidenswert.
Die Sendung von »Wetten, dass …?« am Samstag war der Abschied von Thomas Gottschalk.
Es gab andere Folgen, da hatten die Gespräche auf der Couch eine größere Lockerheit. Diesmal schwebte von Anfang an der Abschiedsmoment über der Sendung, den Thomas ja eigentlich gar nicht haben wollte. Er wollte unter allen Umständen Nostalgie vermeiden. Deswegen hatte ich als kleines Abschiedsgeschenk Handschellen dabei, um ihn festzuketten, ein bisschen Rock ’n’ Roll. Die einen fanden das super, an anderer Stelle habe ich gelesen, »was für ein verunglückter Auftritt«. Ich wollte die Nostalgie auch nicht bedienen, sondern versuchen, lässig und möglichst cool in die Sendung zu gehen – trotzdem herrschte eine merkwürdige Stimmung. Das hatte auch mit der Situation hinter der Bühne zu tun. Diese riesige Maschinerie, dieser Tross von Leuten, die Jahr für Jahr diese Sendung gemacht haben – natürlich waren die traurig. Und das spürst du dann auch bis auf die Bühne. Es hieß vorher ganz bewusst: Bitte keine Tränen! Was zur Folge hat, dass alle genau das die ganze Zeit im Hinterkopf haben. So ist dann jeder ein ganz kleines bisschen verkrampfter gewesen als gedacht, auch ich. Aber ich fand es legitim, dass Thomas seine Lieblingsgäste, auch seine Lieblingsmusiker wie Meat Loaf, eingeladen hatte, der mir seine neue CD geschenkt hat. »I want a kiss for this«, hat er mir gesagt, und als die Kameras nicht auf uns gezeigt haben, habe ich uns beide damit glücklich gemacht. Auch Meat Loaf ist ein Langstreckenläufer, oft totgesagt, immer wieder
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