Ein Jahr – ein Leben
dieser Zeit kenne ich Thomas. Er ist immer einer gewesen, mit dem man solche Scherze machen konnte, er mit mir, ich mit ihm. Heute geht so etwas nicht mehr. Damals war es schon ein Skandal – heute ist es undenkbar. Heutzutage verdränge ich die EuroKrise von mancher Titelseite, nur weil ich plötzlich einen weißen Haaransatz habe.
Sie sind vor kurzem damit öffentlich aufgetreten.
Ja, es ist ein Thema. Ich hörte dann, dass sich Friseure untereinander darüber ausgetauscht haben, was das zu bedeuten habe. Es gab zwei Lager, die einen pro, die anderen contra …
Sie sind doch erfahren in solchen Dingen, das kann Sie nicht wirklich überrascht haben.
Ich habe schon geahnt, dass einer mal hinschaut. Aber dass es solche Ausmaße annehmen würde, über Blogs, über Facebook, das ging wirklich in einem irren Tempo und war überall.
Heute sind Ihre Haare wieder vollständig schwarz.
Ja, ich habe sie mir dann wieder dunkel tönen lassen, bevor ich zur Bambi-Verleihung gefahren bin. Ich dachte, ich kann nicht eine Rede über den verstorbenen Loriot halten, und im nächsten Satz wird in den Berichten allen Ernstes mein Haaransatz diskutiert – so viel Beliebigkeit geht nicht. Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, allen den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Sonst hätten Sie die weiße Stelle vielleicht gelassen?
Ja, wieso nicht? Ich habe überlegt, ob ich die Färbung vielleicht mal ganz rauswachsen lassen soll. Vielleicht wäre es auch interessant für eine Rolle gewesen, wer weiß?
Sie wirken noch immer erstaunt.
Ich wusste wirklich nicht, dass man mit so wenig so viele Leute unterhalten kann. Da ich ja auch Werbeträgerin bin, hat mir mal jemand erklärt, wie man auf diesem Feld mit Meinungsumfragen durchleuchtet wird: Wer bist du? Wie wirkst du auf die Leute? Mir wurde dann gesagt, ich gehöre zu der Gruppe der Glaubwürdigen. Das schmeichelt einem natürlich auch, aber trotzdem fragst du dich, was das wirklich bedeutet. Vor kurzem hat ein renommiertes Meinungsforschungsinstitut eine Umfrage durchgeführt zu der Frage: »Wer ist die beste deutsche Schauspielerin aller Zeiten?« Da wurde ich direkt hinter Romy Schneider auf Platz zwei gewählt. Bei aller Liebe zu mir selbst: Wer wurde da gefragt? Da hätte ich Ihnen aus dem Stand zehn andere nennen können!
Wie gehen Sie mit einer solchen Umfrage um, abgesehen davon, dass sie der Eitelkeit schmeichelt?
Ich nehme sie zur Kenntnis. Meine Eitelkeit wird bedient, gar keine Frage. Aber das hält kein bisschen Einzug in mein Inneres und auch nicht in meine Arbeitswelt. Wenn man das zulässt, wenn das die Maßstäbe werden, dann wird es für einen selbst ganz, ganz schwierig.
Sie wurden also vor Marlene Dietrich genannt?
Ja, die Dietrich kam nach mir. Da sehen Sie, was ich meine – absurd. Deshalb will ich das nicht ernst nehmen. Diese Frau ist als Messlatte so weit für mich entfernt …
Andererseits: Verleihen Ihnen solche Umfragen nicht auch Macht?
Doch, Popularität ist eine Form von Macht. Nur deshalb konnte ich vor einigen Jahren meine Dokumentation über Israel drehen. Es war trotzdem ein harter Kampf, sie durchzusetzen. Diesen Film habe ich mir ertrotzt. Und weil es diesen Zusammenhang zwischen Macht und Popularität gibt, muss man mit dem Einfluss, den man hat, behutsam umgehen.
Wie machen Sie das?
Indem ich diesen Einfluss nicht ausschließlich für meine eigenen Interessen nutze, sondern auch für andere. Bei der Dokumentation wollte ich den täglichen Nachrichten etwas entgegensetzen, in denen Israel oft als Synonym für Aggression und Gefahr dargestellt wird. Als selbst aufgeklärte Menschen mich erschrocken gefragt haben, ob ich wirklich noch nach Israel fahre, dachte ich, hier wird die Wirklichkeit verzerrt. Dieser Verzerrung wollte ich begegnen, indem ich den Alltag der Menschen dort gezeigt habe. Ich spreche in dem Film mit dem israelischen Politiker Shimon Peres, aber eben auch mit dem Friseur um die Ecke, mit einer Mutter, mit Ärzten, ich gehe in eine Schule, in eine Disco, besuche Restaurants. Bei diesem Film stand nicht ich im Vordergrund, sondern die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, für etwas, was mir wichtig scheint.
Sie setzen Ihre Popularität auch bei Ihren politischen Lesungen ein.
Sehr bewusst.
Viele Besucher kommen, um Iris Berben live zu erleben, nicht in erster Linie wegen der Stoffe, die vorgetragen werden.
Das weiß ich sehr genau. Anfangs musste ich üben, den Gedanken zuzulassen, dass ein Teil der Besucher
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