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Ein Jahr – ein Leben

Ein Jahr – ein Leben

Titel: Ein Jahr – ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Berben , Christoph Amend
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zurückgekommen, das bewundere ich, wie auch bei Thomas. Es heißt ja heute oft so selbstverständlich, dass »Wetten, dass …?« seine Sendung war, dabei war sie das ja gar nicht. Erfunden und moderiert wurde sie zunächst von Frank Elstner. Und das musst du erst mal schaffen, dass am Ende alle denken, es sei immer deine Sendung gewesen.
    Was verbindet Sie außer dem Geburtsjahr mit dem Langstreckenläufer Thomas Gottschalk?
    Mit ihm hatte ich – das war Anfang der 90 er – eines der verrücktesten Erlebnisse überhaupt. Thomas moderierte eine Late-Night-Show bei RTL , die in den Bavaria Studios in München aufgezeichnet wurde. Ich war als Gast eingeladen und sollte für einen Kinofilm trommeln, den ich gerade gedreht hatte, »Cosimas Lexikon«, ein ziemlicher Flop, leider. Ich arbeitete schon an einem neuen Film in Berlin, nahm also an dem Tag das letzte Flugzeug nach München, wurde direkt in die Bavaria Studios gefahren. Die Proben hatten längst stattgefunden. Das Publikum war schon im Studio, die Sendung lief, da kommt Thomas kurz hinter die Bühne und sagt: Iris, heute ist der 1 . April, deshalb haben wir ein paar Fakes in die Sendung eingebaut. Wir haben eine Live-Schaltung zum Papst, den man immer nur von hinten sehen wird, eine Modeschau mit den schönsten Mädchen – allesamt Transvestiten. Kurze Pause, Frage an mich: Können wir beide nicht auch irgendetwas zusammen machen zum 1 . April? Es war die Zeit der Outings, Biolek, Kerkeling, manche freiwillig, andere nicht, praktisch jeden Tag hatten die Boulevardblätter irgendwelche neuen Geschichten auf den Titelseiten. So kamen wir darauf, dass ich mich auch outen könnte, und zwar als Mann, nach dem Motto: Ich habe mich umoperieren lassen. Das ist klasse, sagt Thomas, das machen wir, bis gleich in der Sendung.
    Bis jetzt klingt alles nach einem harmlosen Spaß.
    Ich weiß noch genau, ich trug einen engen, roten Rollkragenpullover und schwarze Marlene-Hosen. Ich komme also auf die Bühne, nette Begrüßung, das Publikum klatscht freundlich. Wir plaudern über den Film, alles toll. Leider hatten wir vorher nicht abgesprochen, wann denn nun mein Outing stattfinden würde. Als das Gespräch beinahe zu Ende war, Thomas hatte sich schon bei mir bedankt, sagte ich, dass ich nur noch eine Bitte hätte: In den nächsten Tagen werde ein Artikel über mich erscheinen, in der großen Zeitung, die alle lesen, und ich möchte dem zuvorkommen, in dem ich hier und jetzt meine Sicht der Dinge schildere. Thomas nimmt meine Hand, um Gottes willen, Iris, um was geht es denn? Die Kamera zoomt voll drauf. Und ich sage mit einer Träne im Knopfloch: Ich war früher ein Mann.
    Gottschalk ist ernst geblieben?
    Ganz ernst. Ich habe dann erzählt, dass ich schon früh in mir gespürt hätte, dass ich anders sei, und habe mich deshalb operieren lassen. Daraufhin Thomas: Das ist ja auch ziemlich gut gelungen! Das Publikum lacht etwas verunsichert, das Kichern wird aber immer leiser. Vom Aufnahmeleiter der Sendung hatte ich mir noch schnell ein Foto ausgeliehen, von dessen Neffen auf einem Fahrrad, das er zufällig dabeihatte. Dieses Foto hab ich also rausgezogen und gesagt: Das bin ich. Auf meinem ersten Fahrrad.
    Herrlich.
    Ich bedanke mich noch, dass ich die Sendung für diese Klarstellung nutzen konnte, Thomas verabschiedet mich: Iris Berben, früher ein Mann, heute eine Frau. Abgang. Die Sendung lief weiter. Ich gehe aus dem Studio, setze mich ins Auto, und mein Lebensgefährte Gabriel ruft auf dem Autotelefon an, höchst amüsiert: »Erich, komm nach Hause!«
    Wir haben noch einen auf den Spaß getrunken, sind früh ins Bett, weil ich am nächsten Morgen den ersten Flieger zurück nach Berlin nehmen musste. Abflug 6  Uhr 10 . Ich denke, die Leute schauen mich heute aber merkwürdig an, was ist denn los? Lange Rede, kurzer Sinn: Der Sender musste eine Woche lang Spots schalten, dass dieser Auftritt ein Aprilscherz war. In Zeitungskommentaren wurde ich rauf und runter dafür gescholten, ich hätte Menschen diskriminiert, die wirklich darunter zu leiden hätten. Als ich an dem Tag in Berlin gelandet bin, habe ich ein Interview gegeben, und der Journalist fragte wirklich: Das war ja nun sehr lustig, Frau Berben, aber jetzt sagen Sie mal, das stimmt doch nicht wirklich, oder? Daraufhin habe ich geantwortet: »Ich habe ja nie bekanntgegeben, wer der Vater meines Sohnes ist. Der Vater bin ich – aber wer ist die Mutter?« Mit dem Satz habe ich ihn stehenlassen.
    Autsch.
    Aus

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