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Ein Jahr – ein Leben

Ein Jahr – ein Leben

Titel: Ein Jahr – ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Berben , Christoph Amend
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Atemlosigkeit im größeren Zusammenhang beobachte, macht sie mir Angst. Die Politik kann nicht mehr agieren, sondern nur noch reagieren. Und das müsste doch umgekehrt sein.
    Wie war der Abend im Jüdischen Museum?
    Wie sind solche Veranstaltungen? Vorsichtig gesagt, würde ich mir wünschen, dass solche Abende nicht zu Events verkommen, dass es nicht nur solche Feiern oder entsetzlicherweise Anschläge sein werden, an denen wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen. Die Beschäftigung sollte alltäglich sein.
    Am Tag nach der Feier im Jüdischen Museum waren Sie Gast bei der Verleihung des Leo-Baeck-Preises, den Bundespräsident Christian Wulff bekommen hat.
    Ja, an dem Abend hat Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, gesprochen, dessen Rede mir gut gefallen hat. Er gehört einer Generation an, die den Holocaust nicht mehr unmittelbar erlebt hat. Er öffnet die Tür hin zu einem Weg für die Juden in Deutschland, der sie nicht ausschließlich auf den Holocaust reduzieren muss. Graumann steht für die wachsenden jüdischen Gemeinden, für einen Weg in die Zukunft für Juden in Deutschland.
    Da Sie Peer Steinbrück erwähnten: Sie haben ihn jenseits der Tagespolitik erlebt, als er in der Veranstaltungsreihe der Filmakademie ›seinen Film‹ präsentiert hat.
    Und sein Lieblingsfilm ist Michael Ciminos »The Deer Hunter«. Auf Deutsch heißt der »Die durch die Hölle gehen«. Ist das nicht spannend?
    Ein Kriegsfilm, der vor und nach Vietnam spielt, in dem es jedenfalls zur Sache geht.
    Die Filmakademie hat sich unter anderem vorgenommen, dass wir Filmleute uns nicht immer nur um uns selbst drehen, sondern uns öffnen. Deshalb kam die Idee, eine Persönlichkeit, die eben nicht vom Film kommt, einzuladen und sie zu befragen. Ich bin auf Peer Steinbrück zugegangen, und er hat recht schnell Bereitschaft signalisiert. Das war übrigens noch bevor seine Partei die sogenannte K-Frage diskutiert hat. Das hat uns kurzzeitig in die Bredouille gebracht, weil uns unterstellt werden könnte, wir würden damit Peer Steinbrücks Kandidatur unterstützen. Als Steinbrück uns im Vorfeld des Abends dann »The Deer Hunter« nannte, bin ich sofort in die Videothek und habe mir die DVD ausgeliehen. Es war ja 35  Jahre her, dass ich den Film im Kino gesehen hatte.
    Jetzt haben Sie ihn mit der Frage angesehen: Was interessiert Peer Steinbrück daran?
    Ja. Und ich war dann vollkommen überrascht von seinem Vortrag: Der Mann hat ein beeindruckendes Kinowissen, die amerikanischen Filme, den Film noir, er hat unglaublich viel gesehen. Man hat auch sofort gemerkt: Das ist keine Show nur für diesen einen Abend, das schafft man nicht, nein, der kennt sich wirklich aus. Danach kam ich auf die Bühne und sollte ihn interviewen. Das ist für mich eine ungewöhnliche Rolle. Jedenfalls habe ich auf der Bühne erst einmal zugeben müssen: »Lieber Herr Steinbrück, ich habe jetzt 14 Tage lang an meinen Fragen gefeilt, von denen Sie in Ihrem Vortrag bereits zwei Drittel beantwortet haben.« Ein paar Fragen hatte ich aber doch noch. »Nur mal angenommen, Herr Steinbrück«, habe ich ihn gefragt, »Sie wären jetzt in einer verantwortungsvollen politischen Tätigkeit …« – »An dieser Stelle«, unterbrach mich Steinbrück, »möchte ich sagen: Film ab!«
    Sie haben sich nicht stoppen lassen, oder?
    Natürlich nicht. Ich habe also weiter meine Frage gestellt: »Wenn Sie jetzt in einer verantwortungsvollen politischen Tätigkeit wären, würden Sie Filme dann eher als Wirtschaftsgut oder als Kulturgut sehen?« Damit hatte ich ihn. Und auch er hat sich schnell auf das kleine Spiel eingelassen. Ironie, Witz und Direktheit sind ja wohl ziemlich beste Freunde von ihm. Es war ein entspannter Start, und kurz vor dem eigentlichen »Film ab«, wollte ich dem Publikum doch noch kurz sagen, dass Peer Steinbrück und ich uns schon seit 50  Jahren kennen.
    Sie sagten 50  …?!
    Fast genau 50  Jahre. Wir sind uns vor fast 50  Jahren das erste Mal begegnet, wir waren zur selben Zeit am selben Ort, nämlich 1962 auf der Moorweide. Es war die Flutkatastrophe in Hamburg. Ich war ein zwölfjähriges Mädchen, ging aufs Sophie-Barat-Gymnasium, ich war im angeschlossenen Sacré-Cœur-Internat. »Herr Steinbrück«, hab ich gesagt, »Sie waren, wenn ich das richtig weiß, ein 15 -jähriger Bub, der ging auf das Gymnasium … » – »Ich weiß gerade nicht welches«, antwortet Steinbrück, »es waren so viele.« – »Wir

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