Ein Jahr – ein Leben
ich ein Bild von Johann Hauser, das ich sehr mag. Zu meinem 60 . Geburtstag hat mir Elvira Bach ein Bild geschenkt. Sie hat es zunächst als zerstört empfunden, weil sie die Leinwand versehentlich eingerissen hatte. Dann aber hat sie beschlossen, es mir zu schenken. Sie hat Rosen in den Riss gesteckt. »Weil Sie auch Risse und Narben haben«, hat sie zu mir gesagt, »und das mag ich an Ihnen.«
Sind Sie mit Elvira Bach befreundet?
Ich kannte sie bis dahin nicht persönlich. Ich hatte in einem Interview einmal erzählt, dass ich ihre Bilder mag, diese Frauen auf hohen Absätzen, und dass sie mir einiges bedeuten. Die Stilettos von Elvira Bach stehen nicht einfach nur für Stilettos, sondern dafür erhöht zu sein, für Weiblichkeit, für Kraft, für Aggression. Es sind kräftige Frauen mit großen Ärschen und großen Brüsten und viel im Kopf …
… wie Ihre Großmutter.
Ja, wie meine Oma. Und dann bekam ich von Elvira Bach zu meinem 60 . Geburtstag einen Brief und das Bild. Seitdem sind wir miteinander befreundet.
Ich habe zwei Bilder, die hatte ich auf der Art Cologne gesehen und gleich gekauft. Ich glaube, sie haben 9000 D-Mark gekostet, was damals viel Geld für mich war. Auf dem einen Bild steht »Anfang« und auf dem anderen »Ende«. Als ich das gesehen habe, musste ich es sofort haben, denn ich dachte, dass es eine Aufgabe sein könnte, den Zwischenraum zu füllen, mit Leben. Die Bilder hängen bei mir so, dass ich sie jeden Tag sehe. Der Abstand zwischen ihnen beträgt genau 27 Zentimeter. Diese 27 Zentimeter sind mein Leben.
Warum ausgerechnet 27 Zentimeter?
Ich dachte, 27 ist eine gute Zahl für ein Leben. Irgendeine Formel musste ich doch finden! Die 2 und die 7 sind eigentlich Zahlen, die ich nicht besonders mag, mir ist die 8 lieber. Als ich die Bilder aufgehängt habe, wollte ich sie nicht zu nahe aneinander hängen und auch nicht zu weit voneinander entfernt. Ich wollte auch keine gerade Zahl, keine 40 , keine 60 , so wie ich das bei Regalen mache. Plötzlich hatte ich die Zahl 27 im Kopf. Ich habe den Abstand genau ausgemessen, und dabei ist es geblieben. Vielleicht mag ich diese ungerade Zahl auch, weil das Leben an sich ja auch nicht gerade verläuft.
Wo sehen Sie sich gerade auf der Strecke der 27 Zentimeter?
Ich würde mich gerne noch unter zehn sehen, aber ich bin schon über die 20 raus. Als junger Mensch habe ich mir immer gewünscht, wie ein Kreis zu sein, ohne Anfang und ohne Ende, dann lebt man für immer. Ich habe ein einziges Tattoo, einen ganz kleinen Kreis, das Symbol steht für diese Sehnsucht. Als ich über die Art Cologne laufe und sehe »Anfang« und »Ende«, bin ich zu den Galeristen: »Kann man das kaufen?« – »Ja«, haben sie gesagt. Ich habe alles zusammengekratzt, was ich hatte, und es gekauft.
Und dann gibt es noch eine andere Arbeit, die bei mir zu Hause hängt. Auf ihr ist »Zweifel« zu lesen, und Zweifel ist doch mein Lieblingswort.
Warum?
Ich will ja kein Grab haben, aber wenn ich doch eins bekommen sollte, muss da ganz groß »Zweifel« stehen. Wenn ich mir einen Künstlernamen hätte aussuchen müssen, hätte ich mich »Iris Zweifel« genannt. Aber es dachten ja immer alle, dass »Iris Berben« ein Künstlername ist, bis heute werde ich das gefragt. Aber nein, mein Vater hieß Berben, mein Sohn heißt Berben, wir heißen so!
Und was genau ist das für ein Kunstwerk zum Thema »Zweifel«?
Über dem Palast der Republik hing, bevor er abgerissen wurde, eine Zeitlang groß das Wort »Zweifel«, eine Kunstaktion. Ich wohne ja nicht weit davon entfernt, die Rasenfläche vor dem Palast war oft meine Wiese, auf der ich abends Paul ausgeführt habe. Eines Tages stand da oben der Buchstabe »Z«, dann ein »W«, bis ich kapiert habe, worauf es hinausläuft. In Berlin-Mitte, in der Ackerstraße, gibt es einen Markt, die Ackerhalle, und davor ein paar kleine Geschäfte, ein Schuster, eine Galerie, und dort hatte ein junger Künstler Fotografien ausgestellt, die den Aufbau der Buchstaben dokumentierten. Drei Fotos habe ich aus der Serie gekauft. Sie sehen, ich kann Kunst nur über Geschichten verstehen, die mir etwas erzählen.
Kommen wir noch einmal zurück zur Berlinale, wie waren die Filmfestspiele in diesem Jahr für Sie?
Als Akademiepräsidentin erlebe ich sie ganz anders als früher, heute ist die eigene Anwesenheit manchmal auch ein Politikum.
Sie sind eine Art Politikerin geworden, Filmpolitikerin.
Ich rede in dieser Funktion bei Empfängen der
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