Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Jahr – ein Leben

Ein Jahr – ein Leben

Titel: Ein Jahr – ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Berben , Christoph Amend
Vom Netzwerk:
wirst. Da leckst du deine Wunden, weil du öffentlich am Pranger stehst. Als Wulff so lange ausgehalten hat, habe ich mich gefragt: Woher nimmt er die Kraft? Ich habe darauf keine Antwort.
    Sie haben vorhin erzählt, dass Sie vor der Gedenkfeier in Halle waren, für eine weitere gemeinsame Lesung mit Thomas Thieme?
    Aus dem Buch »Dinge, die wir vermissen werden«. Und zwar Dinge aus der DDR . Das war auch der Grund, warum ich ursprünglich nicht mitmachen wollte. Ich habe gesagt: Das muss eine Schauspielerin aus dem Osten machen, die das alles nachempfinden kann. Dann habe ich das Buch erst einmal gelesen. Eine interessante Erfahrung, ich habe gemerkt, dass ich mit etwa zwei Drittel der Dinge etwas anfangen konnte, die hatte es auch im Westen gegeben. Sie waren bei uns nur 20 oder 30  Jahre früher verschwunden. Der Korbkinderwagen, das Leibchen, Kratzestrümpfe, der Teppichklopfer. Also haben wir gemeinsam ein Hörbuch aufgenommen. Dass wir mit den Lesungen aber so einen Erfolg haben würden, hätte ich nie gedacht. Wir könnten damit tingeln gehen. Nur die Geschichte mit der Russen-Olympiade gab es bei uns nicht. Ich habe gelernt, dass es im Russisch-Unterricht in der DDR einige komplizierte Worte gab, die ich selbstverständlich nicht aussprechen kann. Wenn du einfach vier von diesen Worten in deine kleine Rede eingebaut hattest, bekamst du automatisch die gewünschte Note. Für mich ist das oft der irrste Moment an dem Abend: Das gesamte Publikum spricht die Worte mit, eben wie bei einem Popkonzert.
    Und Sie lernen nebenbei ein bisschen DDR -Lebensgefühl.
    Ich habe vor einigen Jahren schon durch die Dreharbeiten mit Frank Beyer zu »Das große Fest« ein anderes Bild bekommen, als es uns im Westen teilweise vermittelt wurde. Vor Ort drehen war die beste Schule.
    Was haben Sie von ihm gelernt, was Ihnen vorher nicht klar war?
    Ich habe einen viel differenzierteren Blick bekommen. Im Westen dachte man ja, es gab gar nichts, alle hatten ein eher unglückliches Dasein. Aber es gab eben auch glückliches Leben, Familien, die ganz anders funktioniert haben als Familien im Westen, Zusammengehörigkeit, Witz.
    Haben Sie einmal darüber nachgedacht, wie es gewesen wäre, wenn Sie in der DDR aufgewachsen wären?
    Ich habe einmal darüber nachgedacht, ja. Ich habe 1989 zwei Filme mit dem legendären Regisseur Franz-Peter Wirth gedreht, die Mauer stand noch. Der erste heißt »Karambolage«, das Drehbuch war herausgeschmuggelt worden. Ein DDR -Autor hatte es geschrieben. Franz-Peter Wirth hat mir die Rolle einer Ostdeutschen gegeben, es war ein Vier-Personen-Stück, ein Paar aus dem Westen, eins aus dem Osten.
    Womit Sie nicht gerechnet hätten.
    Nie im Leben! Vor den Dreharbeiten war ich panisch, ich hatte keine Ahnung, wie eine Frau aus der DDR war. Geht sie anders? Guckt sie anders? Ist sie selbstbewusst? Oder ferngesteuert? Ich habe darauf bestanden, dass ich nach Ostberlin fahren und meine gesamte Kleidung für die Rolle dort kaufen darf, bis hin zur Unterwäsche. Am Alexanderplatz gab es ein Kaufhaus. Wir sind mit dem Auto rübergefahren. Ich gehe hinein, in Begleitung der Kostümbildnerin. Womit ich nie gerechnet habe: Jeder kannte mich.
    Und Sie mussten ja eigentlich einkaufen.
    Ich gehe in die Umkleidekabine, hatte mir Sachen ausgesucht und probierte sie an. Und in der Zeit waren bestimmt ein Dutzend Frauen bei mir und haben von »Sketchup« geschwärmt. Klar haben sie alle Westfernsehen gesehen. Also haben wir uns gegenseitig Geschichten erzählt, und ich weiß noch, wie sie immer sagten, sie freuen sich so, dass ich hier sei. Wir haben den Film gedreht, er wurde ein Erfolg, aber das Überwältigendste waren die Briefe aus dem Osten, mit dem Tenor: Endlich hat uns mal eine Frau gespielt, die schön ist, die stark ist.
    Welche Geschichte erzählt der Film?
    Mein Mann und ich leben beide in der DDR , er muss für eine Woche in den Westen, ausnahmsweise darf er seine Frau mitnehmen. Als er seinen Auftrag erledigt hat, sagt er zu ihr, komm, wir fahren mal kurz nach Bayern, ich zeig dir, wo ich aufgewachsen bin. Sie weichen also von ihrer Route ab und werden prompt in einen Autounfall verwickelt, Karambolage. Der Typ, der ihnen reinfährt, hat Alkohol getrunken – also ist ihm daran gelegen, die Polizei nicht zu holen und uns natürlich auch. Wir übernachten also bei ihm und seiner Frau, und es entstehen weitere Verwicklungen. Der Film war so ein großer Erfolg, dass der Sender unbedingt einen weiteren drehen

Weitere Kostenlose Bücher