Ein Jahr – ein Leben
wollte. Tatsächlich erzählte Franz-Peter uns, dass jener Autor aus der DDR gerade an einem zweiten Drehbuch arbeite. Diesmal war die Idee, die Geschichte weiterzuerzählen, nur spiegelverkehrt, das West-Paar kommt in den Osten. Während der Autor schrieb, fiel die Mauer. Also schrieb er um. Und wieder. Und wieder. Er kam gar nicht nach mit dem Umschreiben. Wir haben den zweiten Film dann tatsächlich gedreht. Ich erinnere mich ganz besonders an eine Szene, die wir in Dreilinden gedreht haben. Franz-Peter Wirth, müssen Sie wissen, war vom Typ ein sehr stämmiger Bayer, immer ungeduldig, »Herrschaftszeiten!«, hat er oft gerufen, wenn ihm etwas zu lange dauerte. Wir drehen also eine Szene, wir spielen die Nacht nach, in der sich die Mauer öffnet, und mein Mann im Film sagt zu mir: Ich gehe da nicht hin, ich verrate mein Land nicht. Und ich antworte: Ich will nur mal gucken, ich will nur mal rüberfahren. Woraufhin sie fürchterlich streiten und sie schließlich abhaut, zum Grenzübergang. Beim Dreh waren mir die realen Bilder noch so präsent, dass ich jedes Mal anfing zu heulen. Franz-Peter Wirth herrschte mich an: Du sollst lachen! Du freust dich doch! Wir haben das acht Mal drehen müssen.
Das deutsche Fernsehspiel wurde ganz stark von Franz-Peter Wirth geprägt.
Ja, dabei denke ich aber auch sofort an Oliver Storz. Dominik Graf hat auf der Berlinale seinen Dokumentarfilm vorgestellt. Mit Oliver Storz habe ich fünf oder sechs Filme gemacht, bis wir uns entzweit haben.
Entzweit?
Ich war in der Jury der Baden-Badener Fernsehtage, und dann lief unter anderem ein ganz wunderbarer Film von Oliver Storz, »Vier Tage im April«. Ein sehr ruhiger, wichtiger Film. Bei der Juryentscheidung gab es einen zweiten Film von einem jungen Regisseur, den ich so neu und mutig fand, dass ich für ihn gestimmt habe. Meine Stimme war mitentscheidend. Dadurch hat Oliver den Preis nicht bekommen, und das hat er mir nicht verziehen. Das war der Bruch. Ich hatte vorher große Produktionen mit ihm gemacht – plötzlich war ich nicht mehr vorhanden. Als der Dokumentarfilm jetzt im Delphi Kino zu sehen war, hat mich seine Frau angesprochen, sie sei so froh, dass ich gekommen sei. Und: »Er war aber auch stur.« Ich war’s dann wohl auch. Kurz vor seinem Tod hatte Oliver mich angerufen und gesagt, er wolle das erledigen, er wolle wieder mit mir reden, er wolle sein Leben so beenden, dass er und ich wieder da gemeinsam stehen, wo wir einst standen. »Weißt du, Iris«, hat er gesagt, »manchmal hört man auf Stimmen, weil sie einem in der eigenen Stimmung gerade recht geben. Ich hätte mir deine Stimme auch anhören sollen, was du dazu zu sagen hattest. So habe ich auf ein paar Teufel gehört.« Kurz nach dem Gespräch ist er gestorben, im vergangenen Sommer. Dominik hat ihn in dieser Zeit des Sterbens begleitet.
Eine Frage zum Schluss dieses Gesprächs, die von Ihnen selbst kommt: Wo stehen Sie?
Mittendrin. Unser Film »Miss Sixty«, von dem ich Ihnen erzählt habe, ist verschoben, weil wir keine Fördergelder in Nordrhein-Westfalen bekommen haben. Jetzt versuchen wir es in Bayern. Ich weiß, er ist gewagt, aber ich will diesen Kinofilm unbedingt machen. Eigentlich wäre am 2 . Mai Drehbeginn gewesen, das ist jetzt erst mal gestoppt. Dafür fahre ich jetzt zehn Tage lang auf der MS Europa. Ich habe dort zwei Lesungen und stelle »Liebesjahre« mit einem anschließenden Gespräch vor. Und morgen habe ich eine Verabredung mit Oliver, um über weitere Projekte zu reden.
Ein Businessmeeting mit dem Sohn.
Ja, ich hoffe, es stören ihn nicht allzu viele, und er hat ein bisschen Zeit für mich. Der Film von Sherry Hormann, »Anleitung zum Unglücklichsein«, ist verschoben worden, er kommt jetzt im Oktober in die Kinos. Ich habe ihn schon gesehen, Sherry hat Johanna Wokalek und mir eine kleine Privatvorstellung gegeben. Ich glaube, da saßen drei Menschen und haben ihren Kinosessel nassgeschwitzt.
Und wie finden Sie ihn?
Sherry ist es gelungen, ein Sachbuch in eine Geschichte zu verwandeln, traurig, komisch, schräg.
Am meisten denke ich gerade darüber nach, wie ich Ende Juli den 90 . Geburtstag meiner Mutter ausrichte, und denke gleichzeitig darüber nach, ob es den 90 . Geburtstag geben wird. Meine Mutter ist derzeit wieder ganz besonders witzig am Telefon. Und je mehr Kraft sie hat, umso mehr kommt in mir die Angst hoch, wie es eines Tages ohne sie sein wird. Mein Lebensgefährte hatte gestern Geburtstag, und ich sage heute am
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