Ein Jahr – ein Leben
-Bundestagsfraktion, auf dem Dach des Reichstagsgebäudes.
Die Rede dort musste sehr genau vorbereitet sein. Ich habe recherchiert, mit Leuten aus der Filmakademie und aus der Politik gesprochen. Es war eine richtige Politikerrede, die diesmal besonders wichtig war, weil wir wussten, dass die Bundeskanzlerin kommen würde, zum ersten Mal. Das war eine Chance, die wir nutzen wollten. Deswegen wurde die Rede auch sehr viel länger als in den Jahren zuvor.
Worüber haben Sie geredet?
Einerseits über den Schutz des Urheberrechts, ein sehr aktuelles, höchst brisantes Thema, andererseits über eine Gesetzesänderung beim Arbeitslosengeld I. Unsere Schauspieler sind in einer misslichen Situation. Sie können wegen ihrer kurzen Engagements die per Gesetz verlangten Zeiten oft nicht einhalten. Das habe ich gleich als Erstes erwähnt und Herrn Kauder direkt angesprochen: »Wenn ich mich recht erinnere, Herr Kauder, haben Sie doch im letzten Jahr an dieser Stelle angekündigt, dass Sie ohne eine Änderung dieses Gesetzes hier gar nicht mehr antreten. Nachdem Sie nicht nur die Einladung für diesen Empfang ausgesprochen haben, sondern auch noch leibhaftig hier vor uns stehen …«
Wie war die Kanzlerin?
Sie ist nach vorne gegangen, hat ihr Redemanuskript relativ schnell weggelegt und ist direkt auf meine Argumente zum Thema Urheberrecht eingegangen. Sie war inhaltlich sehr klar, und wie immer, wenn sie frei redet, bekam sie eine Lockerheit, die man öffentlich selten bei ihr erlebt. Wenn sie ein paar spontane Bemerkungen einstreut, merkt man, sie fühlt sich wohl. Das gibt ihr eine Form von Menschlichkeit, die bei ihr in der Öffentlichkeit nicht oft sichtbar ist. Mir ist das aufgefallen, wenn ich ihr privat begegnet bin: Sie bekommt dann eine andere Tonalität. Es ist beruhigend zu wissen, dass diese andere Tonalität existiert.
Das ist für Sie der emotionale Zugang zu Angela Merkel?
Ja, ich denke schon.
Ich habe gelesen, dass sie in ihrer Rede auch zugegeben hat: »Wenn man einen Mark Zuckerberg trifft, ist man erst mal versucht, gut Wetter zu machen.«
Das war klasse, dass sie zugibt, von jemandem beeindruckt zu sein. Als die Reden vorbei waren, standen wir nebeneinander, und sie sagte, wir sollten uns einmal im kleinen Kreis treffen, um die Thematik zu vertiefen. Sage ich zu ihr: »Das hat ja viel mit Analyse zu tun, ist schon ein bisschen Ihr Thema, oder? Mein Sohn Oliver hat ja wie Sie Physik studiert, daher kenne ich das.« Sie hat genickt. Dieses Fragenstellen, wenn man etwas nicht sofort versteht, ist mir sympathisch. Alle tun immer so, als wüssten sie alles. Das ist übrigens das einzig wirklich lustige Vorrecht am Altwerden: Man kann ständig Fragen stellen. Früher habe ich mich das nicht getraut, heute mache ich das permanent, heute traue ich mich wirklich, jede Frage zu stellen.
Das war der Tag vor dem Filmpreis. Wie läuft der Tag der Verleihung für Sie ab?
Mittags ist bei mir erst einmal zwei Stunden Aufbau angesagt.
Aufbau?
Aufbau. Ja. Schminken. Es dauert etwa zwei Stunden, um äußerlich aus mir die Präsidentin zu machen. Dieses Jahr hat mich nicht nur die Absage von Bruno Ganz erreicht, sondern wenige Tage vorher fiel mir die Aufgabe zu, die Laudatio auf Michael Ballhaus zu halten, der den Preis für sein Lebenswerk erhielt. Sie müssen sich das so vorstellen, es gibt eine Jury, die jedes Jahr den Ehrenpreis verleiht, als Präsidentin leite ich sie. Wir treffen uns in einer Münchner Anwaltskanzlei und tagen. Sobald wir die Entscheidung getroffen haben, darf ich den Preisträger anrufen. Im ersten Jahr Bernd Eichinger, im vergangenen Jahr Wolfgang Kohlhaase und in diesem Jahr Michael Ballhaus. Zwei Tage später rief er mich noch mal an, war immer noch ganz glücklich: »Aber du hältst die Laudatio, ja?« Ich habe der Akademie sofort gesagt, nein, das mache ich nicht, lasst uns einen Wegbegleiter aus Hollywood nehmen. Michele Pfeiffer wurde angefragt …
… die mit Ballhaus »Die fabelhaften Baker Boys« gedreht hat, mit der legendären Szene auf dem Flügel. Sie singt, und die Kamera fährt um sie und Jeff Bridges herum …
… der sogenannte »Ballhaus-Kreisel«, ja. Sie wollte kommen, war aber in Dreharbeiten. Schließlich kam man doch wieder auf mich zu. Ich habe die Laudatio natürlich sehr gerne gehalten. Trotzdem – es war alles relativ viel.
Wie immer bei Ihnen, Frau Berben, wie immer.
Ja, manchmal kommt alles zusammen. Kurz vorher war ich in Wolfsburg, habe gemeinsam mit
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