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Ein Jahr – ein Leben

Ein Jahr – ein Leben

Titel: Ein Jahr – ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Berben , Christoph Amend
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ist. Ich habe mir in Portugal die Frage gestellt: Wann ist man eigentlich die Person, die man ist? Ist man irgendwann fertig? Ich habe alle vier Jahreszeiten erlebt. Bin ich als Persönlichkeit jetzt zu Ende entwickelt?

    Welche Antworten haben Sie darauf?
    Ich habe nur Fragezeichen. Ich erinnere mich an mich als das zwölfjährige Mädchen, das zum ersten Mal nach Portugal fährt, weil seine Mutter dorthin gezogen ist. Portugal ist seitdem eine Kindheitssehnsucht, aber nicht das Zuhause. Wo ist überhaupt zu Hause? Ich habe keine Ahnung. In Detmold bin ich geboren, mit vier Jahren weg. Zwei Jahre bei den Großeltern in Essen, danach Hamburg, die Internate, immer wieder Portugal bei meiner Mutter, lange Jahre in München, jetzt seit vielen Jahren Berlin. Wohnung in Israel, Wohnung in New York. Das eine Zuhause habe ich nicht, ich suche es auch nicht. Ich bin bei mir zu Hause. Manchmal bin ich bei mir auch nur zu Besuch.
    Aber Sie haben erzählt, als Sie in Detmold waren mit Ihrem Sohn, dass es Ihnen doch mehr bedeutet, als Sie vorher angenommen hatten.
    Ja, ich war überrascht, dass ich Oliver so viel erzählt habe. Von meinem Freund Holger, der zwei Jahre älter war und im selben Haus wohnte. Er hat immer auf mich aufgepasst. Von meinem älteren Cousin Michael, der oft zu Besuch war und älter war. Einmal sind wir so lange spazieren gegangen, dass ich meiner Mutter anschließend gesagt habe: Ich war in einem ganz anderen Land. Wir waren in Richtung Teutoburger Wald gegangen. Aber dennoch habe ich nicht das Gefühl, das ist meine Heimat, da komme ich her.
    Was verbinden Sie mit Portugal?
    Die Besuche bei meiner Mutter in den Sommerferien. Sie arbeitete dort, nach ihrem Berufsleben als Angehörige des Diplomatischen Dienstes in Lissabon ist sie aufs Land gezogen, ans Meer, wo sie heute noch lebt. Eine Zeitlang bin ich überhaupt nicht mehr nach Portugal gefahren, erst in den letzten zehn, zwölf Jahren wieder. Ich liebe es. Ich liebe die Menschen, das Essen, den Wein, ich liebe Fados, Fernando Pessóa und Luis de Camões, den Atlantik, den Wind, Straßen, die nicht begradigt sind, Hecken, die nicht geschnitten werden, alte Mauern, die unvergleichlichen Kacheln, die Melancholie und Saudade – die ewige Sehnsucht.
    Wie kam es, dass Sie wieder so oft nach Portugal gefahren sind?
    Ich habe dort eine Folge »Rosa Roth« gedreht. Während der Dreharbeiten habe ich bewusst nicht zu Hause, sondern in einem Hotel gewohnt, in Sintra. In der Zeit habe ich mir Portugal wieder neu erobert. Wahrscheinlich musste ich erwachsener werden, um wieder zu verstehen, was ich daran liebe.
    Interessanterweise lief dieser Weg über die Arbeit.
    Ja, die Arbeit scheint mein Motor zu sein. Aber auch Fragen. Zum Beispiel: Wie fasst sich Glück an? Kann man es überhaupt anfassen?
    Was glauben Sie?
    Wenn ich glücklich bin, kann ich mich auch gut anfassen, dann ist alles richtig, dann bin ich auch gut zu mir.
    Wie oft haben Sie diesen Moment, dass Sie glücklich mit sich selbst sind?
    Ich weiß nicht, ob es damit zu tun hat, dass ich weiß: Meine Zeit schwindet. Vielleicht bekomme ich dadurch einen schärferen Blick für Glück. Vielleicht definiere ich Glück auch anders als früher. Vielleicht fallen darunter jetzt auch Dinge, die ich als junger Mensch für selbstverständlich gehalten habe. Ich frage mich natürlich überhaupt, wie ehrlich ich zu mir bin, wenn es um solche großen Begriffe wie Glück geht. Oder Eitelkeit. Es gab vor einem guten Jahr eine Initiative hier in Berlin, an der man sich beteiligen konnte, indem man einen Baum kaufte, eine Patenschaft, pro Baum 1000  Euro. Das Projekt nennt sich »Holy Wood«. Es gab ein Fundraising-Dinner auf der Berlinale, da habe ich zugeschlagen. Es fehlen nun mal Bäume in der Stadt. Irgendwann hat das zuständige Amt einen in der Kronenstraße gepflanzt, und vor ein paar Tagen bin ich hingefahren. Ich habe ihn fotografiert, da hängt mein Schild, noch ganz zart ist er. Ich habe ihn natürlich begrüßt: »Hallo, ich bin’s, deine Mutter.« (lacht) Man kann ja mit 61 keine Kinder mehr auf die Welt bringen, also ziehe ich einen Baum groß. Aber zurück zu meiner Frage. Habe ich das aus Eitelkeit gemacht oder weil ich es für notwendig hielt?
    Und?
    Ich will jetzt mal was essen.
    Ich hole die Karte, ja?
    Der Interviewer verlässt kurz den Raum, kommt mit Speisekarte und in Begleitung eines Kellners zurück.
    Dass Frühling ist, merkt man auch daran, dass Sie zum ersten Mal während unserer

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