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Ein Jahr – ein Leben

Ein Jahr – ein Leben

Titel: Ein Jahr – ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Berben , Christoph Amend
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Gespräche keine heiße Schokolade bestellt haben.
    Ja, dafür ist es zu warm. Schauen wir doch mal in die Karte, ein Kaiserschmarrn, ich möchte einen Kaiserschmarrn ohne Rosinen, bitte. Ich esse alles, nur keine Rosinen.
    Der Kellner nickt, weist nur höflich darauf hin: »Sie wissen, dass die Zubereitung des Kaiserschmarrn 20 Minuten dauert?« »Ja«, sagt Iris Berben, »das ist in Ordnung.«
    Wie geht’s eigentlich Ihrem Zeh?
    Der ist immer noch so dick, er sieht aus ein Clown. Ich kann demnächst damit im Zirkus auftreten.
    Wie laufen die Vorbereitungen zum 90 . Geburtstag Ihrer Mutter?
    Auf Hochtouren, sie ahnt nichts, sie weiß nur, dass Heiko und ich da sein werden, aber wir haben eine kleine Gruppe von engen Freunden und Familie eingeladen, die zu einem Überraschungsbesuch nach Portugal kommen werden. Ich war ja gerade wieder bei ihr, und sie nimmt diesen besonderen Tag schon ganz bewusst wahr. 90 . Sie sagt: »Diese Zahl ist unglaubwürdig.« Noch vor zehn Jahren hat meine Mutter nie über das Alter geredet, das war überhaupt kein Thema für sie. Ich habe sie jetzt erst, bei meinem letzten Besuch, davon überzeugen können, dass es vielleicht keine gute Idee ist, in ihrem Alter Auto zu fahren. Sie ist wach, erzählt Geschichten, und wenn sie eine zum zweiten Mal erzählt, weise ich sie gleich darauf hin. »Willst du jetzt auf dein Alter anspielen, oder warum erzählst du es noch mal?« Sagt sie: »Dann erzähl sie doch mal zu Ende, mal sehen, ob du beim ersten Mal zugehört hast.« Sie ist blitzgescheit und hat einen herrlichen Humor.
    Haben Sie eine Vorstellung davon, wie Sie mit 90  Jahren sein werden?
    Nein. Ich bemerke beispielsweise die Wut meiner Mutter darüber, dass sie nicht mehr gut laufen kann. Ich will mir das nicht vorstellen, wie ich mit 90 bin. Ich schiebe das weg.
    Sie lassen sich überraschen, Sie planen nicht daraufhin?
    Nein, ich plane gern, wenn es um Feste geht, das Fest meiner Mutter, das Geburtstagsfest von Heiko, von Freunden, das liebe ich. Ich überrasche auch sehr gern andere Menschen, aber ich mag es gar nicht, überrascht zu werden. Überraschungsbesuch am Set – Scheidungsgrund. Das kann ich nicht ertragen. Nicht, dass ich da anders bin als sonst, aber ich habe das lieber unter Kontrolle. Bin ich etwa ein Kontrollfreak?
    Was glauben Sie?
    Da ist schon was dran. Das ist für meine Umgebung auch manchmal anstrengend.
    Der Kellner klopft, tritt ein, bringt neues Wasser.
    Vielen Dank, warten Sie mal, ich mache mal Platz auf dem Tisch. ( Legt ihren dicken Terminkalender aus braunem Leder beiseite. )
    Der Kalender ist mir schon beim letzten Mal aufgefallen, er ist schön …
    … schön alt, meinen Sie? Ich führe diesen Kalender seit 20  Jahren. Jedes Jahr kommen die alten Seiten raus und neue rein. Jeder Termin, den ich gemacht habe, bekommt ein Kreuz. Ich liebe es, Dinge abzuhaken, ich mache das auch bei meinen Terminlisten, die mir meine Assistentin für jeden Tag macht, zack, abgehakt, zack, abgehakt, das hat etwas Befreiendes. Aber es sind auch Dinge im Kalender, die bleiben, zum Beispiel der Brief meines Vaters, den er mir geschrieben hat, kurz bevor er gestorben ist. Von seinem Tod erfahren habe ich durch einen Anruf, mitten in Dreharbeiten, wir waren in einem stillgelegten U-Bahn-Schacht. Und dann klingelte dort mein Handy, meine Halbschwester, die Tochter meines Vaters, rief an und teilte mir seinen Tod mit. Als der Brief bei mir ankam, war mein Vater schon tot. Deshalb behalte ich ihn immer bei mir. Es ist absurd, einen Brief von einem Toten zu bekommen. Ich konnte ihn ganz lange nicht aufmachen. Ich habe auch Fotos von meiner Mutter, von meiner Großmutter immer bei mir. »Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können«, hat Jean Paul geschrieben.
    Sie erinnern sich gern an früher?
    Ja, an manches erinnere ich mich gern, sonst hätte ich wohl kaum so ein Kalenderbuch mit all den Dingen aus der Vergangenheit. Manchmal blättere ich darin, sehe etwas, denke darüber nach …
    Worüber denken Sie jetzt nach?
    Dass ich in den ersten Jahren nach dem Tod meines Vaters jedes Mal in Tränen ausgebrochen bin, wenn ich den Brief gesehen habe. Man wird älter, fängt an, den Verlust zu akzeptieren.
    Obwohl die Verluste zunehmen.
    Ja, sie nehmen zu, aber mit zunehmendem Alter kann man auch das alles noch intensiver erleben. Wenn man jung ist, ist man mit so vielen neuen Gefühlen beschäftigt. Wenn man älter wird und um so viele Gefühle

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