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Ein Jahr – ein Leben

Ein Jahr – ein Leben

Titel: Ein Jahr – ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Berben , Christoph Amend
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weiß, nimmt man sie anders wahr. Die Gefühle sind nicht mehr neu, dafür intensiver.
    Haben Sie dafür ein Beispiel?
    Ich hatte eine Lesung auf Schloss Neuhardenberg, »Der Schmerz« von Marguerite Duras. Das Buch hat eine interessante Geschichte. Die Autorin wusste selber nicht mehr, dass sie es geschrieben hat. Sie hat das Manuskript erst nach vielen Jahren wiedergefunden und veröffentlicht. Sie war mit einem jüdischen Mann verheiratet, der von der Gestapo verhaftet und ins KZ gebracht wurde, nach Dachau. Jahrelang war ihr Bestreben, herauszufinden, ob ihr Mann noch lebt. Das Buch geht an Grenzen, weil sie in einer beeindruckenden Offenheit ihren Schmerz beschreibt. Sie beschreibt diesen Schmerz, brachial, selbstanalytisch.
    Und wie gehen Sie mit Schmerz um?
    Wenn er zu stark wird, versuche ich ihn von außen wahrzunehmen. Eine Distanz zu mir selbst zu bekommen, das ist ein Hilfsmittel. Schmerz ist diktatorisch. Ich fühle mich der Duras nahe. Viele denken bei ihr eher an ihre Bestseller wie »Der Liebhaber«, aber »Der Schmerz« hat eine unvergleichlich größere Wucht für mich. Dieser wahnsinnige Satz zum Schluss: »Ich konnte sagen, er ist aus dem KZ zurückgekommen.« Kennen Sie ihr Buch »C’est tout«? Darin dokumentiert sie ihren eigenen Tod. Das Buch lag lange Jahre auf meinem Nachttisch. Wenn ich nicht schlafen konnte, habe ich immer wieder ein paar Seiten darin gelesen. Sie beschreibt ganz genau ihr eigenes Wegleben, ihr Ausatmen. Sie schaut sich selbst beim Sterben zu. Eine andere Geschichte von ihr, »Der Mann im Flur«, hocherotisch, eigentlich pornographisch, wollte ich immer mal als szenische Lesung auf die Bühne bringen. Ist es nicht wunderbar, dass Orgasmus auf französisch »kleiner Tod« heißt?
    Welche Bücher liegen zurzeit auf Ihrem Nachttisch?
    Peer Steinbrücks »Unterm Strich«, die Gedichtbände von Federico García Lorca, ein Geburtstagsgeschenk von Thomas Thieme, Carolin Emckes »Wie wir begehren« … Sie schreibt über eine Jugend in den 70 er und 80 er Jahren, in der über Sexualität nicht geredet wurde. Sie erzählt von Ausgrenzung, Lügen und Sehnsüchten. Ein sehr kraftvolles, auch politisches Buch.
    Es klopft wieder an der Tür, der Kellner bringt den Kaiserschmarrn, ohne Rosinen.
    Ah, vielen Dank! Das habe ich lange nicht gegessen.
    Und ohne Rosinen.
    Gott sei Dank, Rosinen konnte ich schon als Kind nicht essen. Oliver auch nicht, er behauptet, das sei vererbt. Im Internat galt die Regel: Du musst alles essen, was auf den Tisch kommt. Es gab immer mal Fruchtsuppe, schon das Wort klingt wie Fruchtfliege. Eine wässerige Suppe mit labberigen Früchten und Rosinen, furchtbar.
    Wie lange liegt der Steinbrück schon auf dem Nachttisch?
    Ich habe das erste Drittel gelesen, spannend, aber nicht ganz leicht, da dranzubleiben, wenn man sich mit den ökonomischen Begriffen nicht so gut auskennt. Bin gespannt, wie das ausgeht mit der SPD und den Wahlen nächstes Jahr. Jetzt haben sie andere Sorgen und müssen sich mit den Piraten herumschlagen. Wir leben in Zeiten mit extremen Ausschlägen, das geht mir manchmal zu schnell. Das geht bei mir auch bei Beziehungen so.
    Sie sind da anders?
    Ja, ich bin ein wählerisches Aas. Man wirft Dinge oft zu schnell von Bord. Man kann den Partner wechseln, aber man selbst ist ja immer noch da, und damit meistens auch die Probleme. Wendet sich ihrem Hund zu. Paul, dein Arzt hat gestern zu mir gesagt, dass du ein kleines bisschen zu dick bist. Das ist der Grund, warum ich dir jetzt nichts abgeben kann von meinem Kaiserschmarrn.
    Wir müssen über Einschaltquoten reden, die aktuelle Folge von »Rosa Roth« hatte sechs Millionen Zuschauer, ein großer Erfolg.
    Ja, darüber freuen sich alle, ich natürlich auch. Die Quote ist unser aller Fetisch. Dafür kam gerade die Nachricht, dass die Komödie, die ich unbedingt drehen wollte, »Miss Sixty«, nicht gefördert worden ist. Wie schade, so ist das in dem Geschäft, das Projekt liegt jetzt erst mal auf Eis. Und wir sind doch schon so lange Jahre damit beschäftigt. Zurzeit scheint es wieder besonders schwer zu sein, Fördergelder zu bekommen. Ich höre von Filmen, die zwei Wochen vor Drehbeginn geplatzt sind, von Regisseuren, die erstmals klagen. Es herrscht eine merkwürdige Stimmung. Die großen Sender müssen auch sparen, das eine zieht das andere nach sich. Ich mochte das Drehbuch von »Miss Sixty«. Ich muss zugeben, als jetzt die Absagen kamen, habe ich überlegt, ob etwas an meiner eigenen

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