Ein Jahr in Andalusien
über achtzigjährigen Amerikaner, der kleine Bronzeskulpturen macht, einen deutschen Kunsthochschulprofessor, dessen Spezialität düstere
Gemälde und Skulpturen sind, und eine Japanerin, die surrealistische Traumlandschaften malt.“ Meine Neugier ist geweckt. Ich höre genau hin und frage
gezielt nach, und als ich ihr von meiner Arbeitssituation erzähle, schlägt sie mirvor, ihr dabei zu helfen, die Künstler zu
interviewen – wenn sie die Subvention bekommt.
Am Abend sitzen wir auf den Kissen vor dem Kamin, trinken Rotwein, und Barbara erzählt von ihrem Leben in Spanien. Sie kam vor vierzig Jahren als
frisch gebackene Studentin mit ihrem Freund nach Málaga, die beiden waren auf der Flucht vor seinem Einzug in den Vietnamkrieg. Er kehrte schließlich in
die USA zurück und zog in den Krieg. Enttäuscht von seiner Entscheidung und von ihrem Heimatland, blieb Barbara allein in Spanien zurück. Andalusien hat
sie seitdem nie mehr verlassen, sie heiratete, bekam zwei Kinder und arbeitete als Englischlehrerein. „Aber auch wenn ich fast mein ganzes Leben hier
verbracht habe, bin ich immer die Guiri, die Ausländerin, geblieben“, sagt sie. „Gerade hier, seit ich hier im Dorf lebe, merke ich wieder, dass ich
eigentlich nicht dazugehöre. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Ich beobachte dafür alles umso genauer.“ Barbara strahlt eine Stärke und
Kompromisslosigkeit aus, die mich fasziniert. Beschwingt gehe ich schlafen, ich freue mich auf die Olivenernte, darauf, die Gegend genauer zu erkunden,
und darauf, bald mit Barbara zusammenzuarbeiten und Künstler zu interviewen, die sich hierher zurückgezogen haben. Die Serranía de Ronda habe ich gleich
zu einem meiner Lieblingsorte in Andalusien erklärt, schon nach einem Tag hat sie meine Batterien aufgeladen.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist es bereits halb zehn. Ich rüttele Jaime etwas unsanft aus dem Schlaf. „Es ist schon spät.“ „Na und?“, sagt
er mürrisch. „Es ist doch Samstag.“ „Ja, aber die Olivenernte …“, murmle ich. „Die läuft uns doch nicht davon.“ Jaime dreht sich einfach um und
schläft weiter. Aus der Küche zieht bereits Kaffeeduft und an Einschlafen ist nicht mehr zu denken. „Buenos días! – Guten Morgen!“ Barbara bereitet in
der Küche gerade das Frühstück zu. Wie eine echte Andalusierin hat sie derFlasche Olivenöl den Königsplatz auf dem Tisch
eingeräumt. Auch Juan schlummert anscheinend noch. „Und ich war schon ganz aufgeregt, dass die Olivenernte ohne mich anfängt“, sage ich. „Hier ticken
die Uhren anders. Da gewöhnst du dich bestimmt schneller dran, als dir lieb ist“, antwortet Barbara und lacht.
Nach einem ausgedehnten Frühstück brechen wir endlich auf. Es ist bereits zwölf. Eine Ernte hatte ich mir anstrengender vorgestellt. Wir lassen die
letzten Häuser von Benalauría hinter uns und laufen auf einem schmalen Pfad vorbei an kleinen Bauernhäusern und riesigen Kastanienbäumen. Es duftet nach
Rosmarin und Thymian. Nach einer Viertelstunde hält Juan vor einem Gatter, das sich als ausgedienter Bettenrost entpuppt. Hinter ein paar
Eukalyptusbäumen versteckt sich die Ruine. „Das war doch höchstens mal ein Viehunterstand, oder?“, fragt Jaime, als er den Steinhaufen
sieht. Tatsächlich ist die Ruine, die Juan in seinen Rückzugsort verwandeln will, höchstens zehn Quadratmeter groß. „Da muss ja nur ein Bett, ein
Tischchen und eine kleine Küchenzeile reinpassen“, sagt er optimistisch. Das dazugehörige Grundstück erstreckt sich steil auf einem Hang, der zu einem
kleinen Bach hin abfällt. Dort verteilen sich die Olivenbäume, die wir gleich ernten sollen. Juan zieht drei Körbe hinter den Steinen seiner Ruine
hervor und erklärt uns: „Ich will die Bäume nicht schütteln, so wie es die Bauern normalerweise machen. Das ist nicht gut für die Oliven, deshalb werden
wir sie direkt vom Ast pflücken.“ Er teilt jedem einen Abschnitt zu, meiner liegt ganz unten am Bach.
Es wird doch noch anstrengend. Durch Dornensträucher schlage ich meinen Weg zu den Bäumen am Bach, mehrmals stolpere ich. Angekommen sehe ich mir
völlig außer Atem mein Feld an. Brombeersträucher ranken zwischen den kleinen Bäumchen, die Juan nicht schütteln will. „KeinWunder“,
denke ich. „Da würde sie ja auch keiner mehr finden.“ Ich mache mich an die Arbeit. Nach einer Stunde ist gerade mal der Boden meines Korbs
bedeckt. Nach einer weiteren sieht der Korb kaum voller aus. „Vamos a
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