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Ein Jahr in Andalusien

Titel: Ein Jahr in Andalusien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Frenzel
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gleich
auf den ersten beiden Seiten bringen, erklärt Nicole, die Chefin vom Dienst. Sie ist vor allem begeistert, dass ich den Artikel so schnell recherchiert
und geschrieben hatte. „Normalerweise dauert es ewig, bis du einen Termin im Rathaus bekommst.“ Am nächsten Freitag ist wieder Redaktionskonferenz,
sagt Nicole. Ich soll unbedingt neue Themenvorschläge mitbringen. Es sieht aus, als würde Málaga mich mit offenen Armen empfangen.

    „Juan lädt uns zur Olivenernte auf seinem Grundstück in der Serranía de Ronda ein“, begrüßt mich Jaime, als er am Freitagabend aus
dem Büro kommt. Juan ist ein alter Schulfreund von Jaime, der aussieht wie ein spanischer John Lennon: Er trägt sein schwarzes Haar schulterlang, hat
einen dicken Bart und eine Nickelbrille, arbeitet als Geograf und ist Mitglied der Umweltschutzgruppe Ecologistas en Acción. Bei deren radikalen
Protestaktionen gegen neue Betonfluten ist Juan immer ganz vorn mit dabei. Überhaupt ist er für alle Aktionen und Projekte offen, die das etablierte
System in Frage stellen. Ich sitze am Schreibtisch, eine dicke Decke liegt über meinen Beinen, darunter tobt mein kleiner Heizstrahler. „Ist es nicht
viel zu kalt?“, frage ich und massiere meine Finger, die von der feuchten Kälte ganz steif sind. „Bei der Ernte wird uns bestimmt schnell warm“, sagt
Jaime. Eigentlich finde ich den Gedanken, bei der Olivenernte zu helfen, sehr reizvoll, doch gerade sitzt die Kälte in meinen Knochen und mit ihr die
Lethargie. Ich lasse mich deshalbvon Jaimes Tatendrang mitreißen. Er packt einen Rucksack mit langer Unterhose, Jeans, Wollpullover
und Windjacke, ich tue es ihm gleich.
    Am nächsten Vormittag will Juan uns abholen. Er hat von seinen Eltern gerade ein Stück Land mit Olivenbäumen und einer kleinen Ruine in der Nähe des
Dorfs Benalauría in der Serranía de Ronda bekommen. Seine Familie kommt ursprünglich aus dem Ort, ist aber vor Jahren nach Málaga ausgewandert. In
Benalauría will er nicht nur zum Teilzeitbauern werden, sondern auch die Ruine in einen gemütlichen Rückzugsort verwandeln. „Die Serranía de Ronda hat
mit der verbauten Küste nichts gemeinsam. Hier leben die Menschen in kleinen Dörfern noch so wie vor fünfzig Jahren. Die Berglandschaft ist mit Kork-
und Steineichen und Kastanienbäumen überzogen, die Dörfer erreicht man oft nur über schmale und kurvige Straßen. Auch Benalauría ist nur über eine
steile Serpentinenstraße mit der Außenwelt verbunden. In den Gassen sitzen die Alten vor ihren Häusern und die Katzen schlafen faul in der Sonne“,
schwärmt Jaime, als wir am nächsten Morgen in Juans Auto sitzen. „Die Gegend ist wunderschön, aber es gibt auch eine Menge Probleme“, sagt Juan. „Die
Landflucht macht der Region schwer zu schaffen. Die jungen Leute ziehen weg, weil sie keine Arbeit finden, nur die Alten bleiben zurück.
    Aber ausgerechnet Benalauría scheint eine Lösung gefunden zu haben. Nur etwa zehn Prozent der arbeitenden Dorfbewohner verlassen die Gemeindegrenzen,
und sogar Bewohner aus den Nachbarorten finden in Benalauría Arbeit. Das Dorf ist ein Gegenentwurf zum Exodus der andalusischen Landbevölkerung.“ „Und
wie funktioniert das?“, frage ich ihn. Er holt weit aus. Wir erfahren, dass die Wende in Benalauría vor fast zwanzig Jahren stattfand. Damals fuhren
auch dort noch fast alle Dorfbewohner an die Küste, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Einige verließenBenalauría auch ganz, um
sich in der Stadt niederzulassen, dazu gehörten auch die Eltern von Juan. Die gleichen Gründe, die die Bewohner noch bis in die Achtzigerjahre in die
Emigration nach Deutschland und Frankreich getrieben hatten, ließen sie jetzt an die Costa del Sol wandern. „Die Dörfer steckten in einer
Depression. Die Menschen glaubten nicht daran, dass in ihrer Heimat eine Zukunft möglich sei“, beschreibt Juan seinen Eindruck von damals. „Da
gründeten ein paar junge Menschen eine Genossenschaft. Sie wollten den Bewohnern eine Perspektive geben.“ Juan erklärt uns, dass ihnen das gelang, als
Anfang der Neunziger die Subventionen für die Entwicklung im ländlichen Raum aus Europa kamen. Sobald die Gruppe von den Geldern aus Brüssel erfuhr,
erarbeiteten sie in Windeseile ein Projekt und nannten es La Molienda, das Mahlen. Der Vorschlag unterschied sich zuerst nicht von dem anderer Dörfer,
die EU-Subventionen bekommen wollten: Er sollte Touristen in die idyllische Sierra locken. Ein Heimatmuseum war

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