Ein Jahr in Andalusien
der Aufhänger, Gästezimmer und ein
Restaurant mit lokalen Spezialitäten die Anhängsel der Idee. Die Gruppe kaufte ein altes Haus, renovierte, schaffte traditionelle Werkzeuge und
Maschinen herbei. Als alles fertig war, kam die Subvention aus Brüssel. Nicht nur die Ausgaben konnten damit bezahlt werden, es blieb sogar etwas
übrig. Da eröffneten sie kurzerhand eine Fabrik, in der Konserven aus Produkten der Region hergestellt werden; Kastanienmarmelade ist der Star der
Produktpalette. Später kamen weitere Genossenschaften dazu. Die Männer schreinern heute, die Frauen machen Trockenblumengestecke. „Das Projekt der
Gruppe aus Benalauría war aus einem einzigen Grund besser als das der anderen Dörfer: Nicht der Profit, sondern der Mensch stand im Mittelpunkt der
Idee. Das Ziel war, das Leben im Dorf wieder lebenswerter zu machen. Das Geld war dabei immer nur Mittel zum Zweck“, fährt Juan begeistert
fort. „Seit2000 wächst Benalauría wieder. Jährlich erwirtschaftet die 520-Seelen-Gemeinde etwa eineinhalb Millionen Euro, der Gewinn
wird immer in neue Projekte gesteckt. Die Nachbargemeinden sind richtig neidisch auf Benalauría. Gästezimmer gibt es dort auch, aber kaum Arbeitsplätze.
“
Mittlerweile sind wir in der Serranía de Ronda angekommen. Die Gegend ist wirklich so schön, wie Jaime sie beschrieben hat. In Benalauría drängen sich
die weißen, mit Kalk verputzten Häuschen an einen grünen Hang, den ein dichter Kastanien- und Korkeichenwald bedeckt. Davor erstreckt sich das weite Tal
des Flusses Rio Genal, in der Ferne blitzen weitere kleine, weiße Ortschaften zwischen dem Grün auf. Wir folgen Juan durch die sauberen Gassen des
Dorfs. Bis er die Ruine auf seinem Grundstück in ein kleines Haus verwandelt hat, kommt er bei seinen Aufenthalten in Benalauría bei einer
amerikanischen Freundin unter, die im Ort wohnt.
„Barbara ist Künstlerin und sie faszinieren die alten Handwerkskünste der Gegend und Naturmaterialien“, erzählt Juan von seiner Freundin, während wir
die steilen Gassen hinabsteigen. „Hier hat sie den idealen Ort gefunden, denn die Leute sind gerade für Projekte, die alte Traditionen schätzen, sehr
aufgeschlossen. Gerade heckt sie wieder etwas Neues aus.“ Juan bleibt vor einem Haus am Ortsrand stehen und klopft an einer niedrigen Holztür, die
aussieht, als würde sie zu einem Viehunterstand aus dem vergangenen Jahrhundert führen. Tatsächlich wohnt Barbara in einem ehemaligen Stall, den die
Besitzer in eine Einliegerwohnung verwandelt haben, klärt Juan uns auf. Es dauert eine Weile, bis sich im Inneren etwas rührt, doch dann steht plötzlich
eine etwa sechzigjährige Frau mit pflaumenfarbenem Haar in der Tür. In einwandfreiem Spanisch heißt sie uns willkommen und bittet uns, allen hiesigen
Gepflogenheiten zum Trotz, die Schuhe auszuziehen. Sie drückt uns dickehandgestrickte Socken in die Hände. Die Decken im Inneren des
früheren Stalls sind niedrig, doch dafür ist der Raum umso gemütlicher. Der Boden ist wie die Wände weiß gekalkt, überall liegen große Sitzkissen,
kleine marokkanische Lampen sorgen für indirektes Licht. In einer Ecke ist ein Kamin untergebracht. „Ihr müsst auf dem Boden schlafen“, warnt uns
Barbara, während sie Kräutertee aufbrüht. „Platz für Gästebetten habe ich leider nicht.“ Wir versichern ihr schnell, dass das für uns in Ordnung
ist. Wir lassen uns auf den Sitzkissen nieder, Barbara hantiert mit dem alten Gasofen und schnuppert nebenbei an Dosen, um die richtige Kräutermischung
zu finden.
Juan ist schon mit den Vorbereitungen für die Olivenernte am nächsten Tag beschäftigt. „Hilfst du uns auch?“, fragt er Barbara. „Leider kann ich
nicht. Ich habe gerade unglaublich viel zu tun“, erklärt sie energisch. „Am Montag endet die Antragsfrist für eine Subvention, und bis dahin muss ich
mein neues Projekt zu Papier gebracht haben.“ „Um was geht es?“, frage ich sofort. „Ich will ein Inventar aller Künstler und Kunsthandwerker
erarbeiten, die hier in Andalusien leben und arbeiten, und das Ergebnis im Internet als interaktive Landkarte darstellen. Es soll eine bunte Mischung
der einheimischen und ausländischen Künstler sein, die sich hier niedergelassen haben.“ „Sind unter den Ausländern, die hier arbeiten, viele Künstler?
“ „Es gibt eine Menge Leute, die echt tolle Sachen machen. In Gaucín, einem Nachbarort, veranstalten zum Beispiel Künstler gemeinsam Ateliertage. Dort
gibt es einen
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