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Ein Jahr in Andalusien

Titel: Ein Jahr in Andalusien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Frenzel
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er den Saft vor uns hinstellt. „Pensionen gibt es nicht, aber Apartments. Ich habe selber ein wunderschönes.
“ Eine Küche brauchen wir zwar nicht, nach den Touren wollen wir in ein Gasthaus einfallen und nicht den Kochlöffel schwingen. Doch der Wirt überzeugt
mich wortgewandt von seinem Angebot,Einwände lässt er nicht zu. Es scheint fast, als gehörten wir zu den ersten Gästen in diesem
Winter, er will uns in keinem Fall entwischen lassen. Er gibt dem Kellner ein paar Anweisungen in breitem Andalusisch und führt uns kurzerhand durch die
kopfsteingepflasterten Gassen zu einem alten Häuschen, dessen Holztür er mit einem riesigen Eisenschlüssel öffnet. So alt und traditionell das Haus von
außen aussieht, so modern ist es innen ausgebaut. „Gibt es Heizkörper und warmes Wasser?“, frage ich dennoch vorsichtshalber. Meiner Mutter will ich
die Begegnung mit der andalusischen Kälte ersparen. „¡Claro que sí! Natürlich!“, sagt er und betätigt einen Schalter, der die Heizung in Gang
setzt. Nachdem er uns alle Vorzüge seines Apartments ausführlich erklärt hat, schickt er sich endlich zum Gehen an. Bevor er die Tür hinter sich
schließt, versäumt er nicht uns mitzuteilen, dass es bei ihm im Gasthaus köstliche Wildgerichte gibt.
    Kurz nach ihm verlassen wir das Haus, um uns den Ort anzusehen und die übrigen Einkehrmöglichkeiten zu testen. Tatsächlich ist Fuenteheridos ein
ziemlich überschaubares Nest, wir finden nur noch ein paar Bars, in denen die Dorfältesten Domino und Karten spielen, eine Zigarette an der anderen
anstecken und weiße Getränke in kleinen Gläsern schlürfen. Wir folgen deshalb dem Rat unseres Gastgebers, kehren in seine Bar ein und bestellen
Wildschwein und Reh, dazu einen halben Liter offenen Rotwein. „Köstlich!“ Meine Mutter ist von unserem ersten Abendessen in der Sierra Morena
begeistert. Das Fleisch ist ganz zartgekocht. „Ich glaube, ich werde kugelrund zurück nach Deutschland fliegen“, sagt sie, während wir als Nachtisch
eine Portion Milchreis verzehren. „Mit den Wanderungen sorgen wir schon dafür, dass nichts auf den Hüften bleibt“, wende ich ein.
    Die Vögel zwitschern laut, die Luft ist frisch. Die aufsteigende Wintersonne zaubert dicke Tautropfen auf Blätterund Gräser. Nach
einem üppigen andalusischen Frühstück – vielleicht hat meine Mutter mit ihren Kugelprognosen doch recht – sind wir in aller Früh zum Wandern
aufgebrochen. Unser Pfad schlängelt sich durch dichte Wälder; alte mit Moos bewachsene Trockensteinmauern, die weitläufige Grundstücke begrenzen,
begleiten uns auf beiden Seiten. Hinter niedrigen Mauern wachsen Kastanienbäume und Korkeichen, so weit das Auge reicht. Immer wieder suhlen sich
zwischen den Bäumen Schwarzfußschweine im Schlamm. Unser Ziel ist heute das Dorf Linares de la Sierra. Als wir die engen, gepflasterten Gassen der
abgelegenen Ortschaft betreten, sind wir beide begeistert. Die Bewohner haben ihre winzigen Holzbalkone mit bunten Blumen verziert, die schmalen Häuser
sind in Pastellfarben gestrichen. In den Straßen ist kaum etwas los, nur ein paar ältere Männer dösen auf Holzbänken in der Sonne. Der Höhepunkt des
Dorfs ist der alte Waschplatz. An dem kreisrunden Brunnen, der fast den ganzen Dorfplatz einnimmt, sind steinerne Waschbretter eingearbeitet. „Da haben
sich früher bestimmt die Dorffrauen getroffen, gemeinsam die Wäsche gewaschen und sich dabei über den neuesten Klatsch ausgetauscht“, sagt meine
Mutter. Auf einer Bank genießen wir die wärmenden Sonnenstrahlen und die Ruhe.
    Der Ort ist nur über eine schmale Bergstraße mit der Außenwelt verbunden, für Autos sind die Gassen zu schmal. „Wahrscheinlich gibt es hier gar keine
jungen Leute mehr“, überlege ich. „Was könnten sie hier auch arbeiten?“ Die Dörfer der Gegend erleben bestimmt das gleiche Schicksal wie die in der
Serranía de Ronda; die junge Generation wandert aus. „Der Tourismus ist bestimmt der einzige Ausweg. Deshalb hat uns der Wirt gestern auch nicht mehr
losgelassen“, sagt meine Mutter. Wir packen unsere Brotzeit aus, Ziegenkäse, Schinken aus dem Nachbarort Jabugo, angeblich der beste in ganz Spanien,
und Bauernbrot. Nachdemwir alles vertilgt haben, tun wir es den Dorfbewohnern gleich und dösen noch ein bisschen in der Sonne.
    Auf dem Rückweg nach Fuenteheridos – jeder hängt gerade seinen Gedanken nach – hält meine Mutter plötzlich an. „Schau mal da“, flüstert sie
ehrfürchtig. Hinter

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