Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Jahr in Andalusien

Titel: Ein Jahr in Andalusien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Frenzel
Vom Netzwerk:
verschwunden ist, bleiben wir am Strand sitzen und blicken aufs Meer.

    Wieder zurück in Málaga plane ich die nächsten Schritte für meine berufliche Zukunft als selbstständige Journalistinin Andalusien; die Mitarbeit bei der deutschsprachigen Wochenzeitung darf nicht die einzige Auftragsquelle bleiben. Auf einem großen, weißen Papier
liste ich links alle möglichen Zeitungen, Magazine, Journalistenbüros und Verlage auf, für die ich von Andalusien aus arbeiten könnte. Rechts notiere
ich meine Themenideen, Vorschläge und in welchem Format sie das jeweilige Medium interessieren könnten. Und nach zwei Stunden habe ich eine ansehnliche
Liste erstellt. Ich schalte den Computer ein und fülle die linke Spalte mit Kontaktpersonen und Telefonnummern. Dann erarbeite ich für jeden Vorschlag
ein Exposé. Am nächsten Vormittag nehme ich mir vor, eine Telefonaktion zu starten und einen ersten Teil der möglichen Auftraggeber anzurufen. Beim
Gedanken an die bevorstehenden Anrufe beginnt mein Herz sofort schneller zu schlagen. Wenn ich nicht bald Erfolg habe, heißt das, dass ich Andalusien
verlassen werde. Ich atme tief durch, beschwöre die Andalusierin in mir herauf und verlege den Stress auf morgen.
    Gegen drei Uhr nachmittags klingelt mein Telefon. Ara, Juans Freundin, ist dran. Völlig aufgelöst sagt sie, wir müssten uns sofort sehen. „Du kannst
dir nicht vorstellen, was passiert ist“, beginnt sie atemlos, als wir uns an einen schmalen Tisch des Cafés con Libro an der Plaza de la Merced, gleich
neben dem Geburtshaus von Picasso setzen. „Ich werde am Flughafen arbeiten!“ Ara ist Masseurin, und seit ich sie im Januar kennengelernt habe, versucht
sie eine Genehmigung zu bekommen, um im Abflugbereich des Pablo-Ruiz-Picasso-Flughafens ihren Massagestuhl aufstellen zu dürfen. „Das ist eine
Wahnsinnschance!“, jubelt sie und fällt mir um den Hals. Sie steckt mich an mit ihrer Euphorie, und sie braucht nicht lange, um mich zu überzeugen, den
Computer am Nachmittag ausgeschaltet zu lassen, um sie zum Strand des ehemaligen Kurbads Balnerio del Carmen zu begleiten.
    „Das Strandbad war Anfang des vergangenen Jahrhunderts der besseren Gesellschaft von Málaga vorbehalten“, erzählt Ara, während wir
die Strandpromenade entlang zum Balnerio laufen. „In dem Clubhaus wurde wild getanzt und gefeiert. Es war in den Zwanzigerjahren das Mondänste, was die
Stadt zu bieten hatte. Zur Livemusik einer Big Band tanzte die Bourgeoisie in dem Gründerzeitgebäude Charleston, und der Dichter Federico Garcia Lorca
tankte hier mit seinen Freunden der Literaturclique Generación del 27 stets neue Energie“, fährt sie fort. Ich erfahre, dass die Baños del Carmen auch
nach dem Spanischen Bürgerkrieg ein privater Club und Kurort blieben, dessen Pforte sich nur zahlenden Gästen öffnete. „Aber auch mein Vater tanzte
hier, obwohl er keinen Cent in der Tasche hatte“, erzählt Ara. „Als junger Mann, noch bevor er meine Mutter kennenlernte, sprang er in der
Abenddämmerung über die Mauer, um sich mit den Señoritas der besseren Gesellschaft zu amüsieren.“ Erst in den Siebzigern wurde aus dem privaten Club
ein öffentlicher Erholungsraum, fährt Ara fort. Doch im Jahr 1989 zerstörte eine Sturmflut den Ort, der achthundert Meter lange Strand wurde zu großen
Teilen vom Meer verschluckt. Seitdem verfällt das Balnerio langsam.
    Aber gerade dem morbiden Charme verdankt das alte Kurbad eine neue Fangemeinde. In dem ehemaligen Clubhaus befindet sich heute ein einfaches
Restaurant, wo arabische Spezialitäten und Te Moruno, zuckersüßer marokkanischer Tee, serviert werden. Am Sonntagmittag ist es fast unmöglich, einen
freien Tisch zu ergattern. Auf der Terrasse, die direkt am Wasser endet, treffen sich am Abend junge Pärchen, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Den
östlichen Teil, der zeitweise ein Campingplatz war und wo es einen verwahrlosten Tennisplatz gibt, hat die alternative Szene eingenommen. An dem
Kieselsteinstrand hat immer jemand eine Gitarre oder Trommeln dabei, die Mädchenlegen sich oben ohne in die Sonne. Am Abend finden
hier auch mal spontan Konzerte statt.
    Wir legen uns an den Strand, wo um die Uhrzeit noch nichts los ist. Die schmalen Blätter der riesigen Eukalyptusbäume schützen uns ein wenig vor den
Sonnenstrahlen. Die Brandung wälzt die Kieselsteine im Wasser hin und her, die Wellen plätschern und ich gerate schon wieder in Urlaubsstimmung. „Heute
Abend ist San Juan. Das darfst du

Weitere Kostenlose Bücher