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Ein Jahr in Andalusien

Titel: Ein Jahr in Andalusien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Frenzel
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hat den Kindern einen Tag lang ausführlich erklärt, wie ein Bild entsteht. Für uns sind die zwei Wochen mit den Künstlern wirklich ein
Riesengewinn“, sagt er, während er unseren Milchkaffee und die Tostadas vorbereitet. Eine Frau, die neben uns an der Theke sitzt, greift seine Worte
auf: „Die Idee der Treffen ist auch, dass die Dorfbewohner Menschen und Kulturen aus der ganzen Welt kennenlernen, neue Eindrücke gewinnen, und das ohne
den Fuß vor die Dorfgrenzen zu setzen.“ Dann erklärt sie entschuldigend: „Tut mir leid, dass ich so in euer Gespräch platze, aber das Thema liegt mir
sehr am Herzen, ich bin nämlich die Bürgermeisterin.“ Die Gelegenheit, mit der Kuratorin der Ausstellung zu sprechen, lasse ich mir natürlich nicht
entgehen, und ich frage sie, wie dasAuswahlverfahren abläuft. Bereitwillig erklärt sie mir, dass zu den Treffen etwa dreimal so viele
Vorschläge eingesandt werden, wie umgesetzt werden können. „Bei der Endauswahl geht es dann vor allem darum, ob es einen geeigneten Platz für das Werk
gibt und ob es ins Dorfbild passt. Die Künstler müssen eine Skizze mitschicken, damit wir uns das gut vorstellen können.“
    Wir wünschen ihr weiterhin viel Erfolg mit den Treffen und laufen dann durch die Gassen hinunter zur Schule. Auf dem Weg erfrischen wir uns an einem
Brunnen, in dessen Mitte eine abstrakte Skulptur thront. Barbara ist gerade mit einem britischen Urlauber in ein Gespräch vertieft; Thema: die Serie von
Ángel über das andalusische Arbeiterleben. „Die Vernissage war total erfolgreich“, begrüßt uns Barbara begeistert. „Es waren wirklich viele Leute da,
und ich habe eine Menge Flyer mit Informationen über unser Projekt verteilt.“ Barbara zählt eine lange Liste von Würdenträgern und Künstlern auf, die
gestern noch bei ihr waren. Mehrmals versichern wir ihr, wie sehr wir uns freuen, dass alles so gut geklappt hat. „Wir fahren jetzt nach Benalauría zu
dem Moros-y-Cristianos-Fest. Kommst du mit?“, will ich dann wissen. „Das geht leider nicht, ich muss hier die Stellung halten.“ Barbara kramt in ihrer
Tasche und fischt einen dicken Schlüsselbund hervor. „Ihr könnt aber gern bei mir übernachten. Bringt den Schlüssel morgen einfach wieder vorbei, wenn
ihr nach Hause fahrt.“

    Der kleine Parkplatz am Ortseingang von Benalauría ist voll, auf der Zufahrtsstraße reihen sich einige hundert Meter weit Autos
aneinander. Als wir auf der Hauptgasse des Dorfs zum Dorfplatz laufen, empfängt uns Trommelmusik, die immer schneller und lauter wird. Auf dem Platz
stehen als Christen verkleidete Dorfbewohner mit schwarzen Hosen, weißen Blusen und bunten Westen. Ihnen gegenüber:düster
dreinblickende Gestalten. Die „Mauren“ haben sich lange Kittel über weite Hosen gezogen, auf dem Kopf Tücher drapiert, die Frauen tragen marokkanische
Kleider. Die dramatische Trommelmusik soll die Schlacht zwischen den beiden Lagern symbolisieren. Unser Freund Juan, der mit Ruß im Gesicht und einem
langen Kittel einen Mauren darstellt, hat uns entdeckt und steht plötzlich neben uns. „Wollt ihr auch mitmachen?“, fragt er. „Ich habe bei Barbara ein
paar Sachen aus Marokko.“ Wir folgen ihm schnell, um nichts von der Vorführung zu verpassen. Ich schlüpfe in ein weites, türkisfarbenes Kleid, Juan
schmiert uns ebenfalls etwas Ruß ins Gesicht und bindet Jaime ein weißes Tuch um den Kopf. Dann gehen wir wieder nach oben.
    Die Kampfhandlung ist noch im vollen Gange. „Wir stellen den ersten Aufstand der Mauren unter christlicher Vorherrschaft nach“, raunt Juan uns
zu. „Die Katholiken haben die Friedensverträge nicht respektiert, in denen den Muslimen Religionsfreiheit und eigener Besitz zugesichert wird. Deshalb
haben die Mauren zum Aufstand gerufen. Er begann in der Alpujarra und breitete sich wie ein Waldbrand schnell in der ganzen Region aus.“ Plötzlich hält
einer unter uns Mauren die Statue des Schutzheiligen des Dorfs, Santo Domingo de Guzmán, in den Händen und macht Anstalten sie fortzutragen. Die
Christen verfallen in ein kollektives Wehklagen. Juan schubst uns an: „Hey, wir müssen den Mauren folgen.“ Wir sammeln uns in einer Ecke des
Dorfplatzes. Einer tritt hervor und spricht zu den Christen. „Ihr müsst uns Geschenke und Gold bringen, um euren geliebten Heiligen zurückzubekommen.
“ Tatsächlich bildet sich gleich eine lange Schlange vor unserer Gruppe, die Christen laden Körbe mit Melonen, Kakis und Mandeln vor uns ab,

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