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Ein Jahr in Andalusien

Titel: Ein Jahr in Andalusien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Frenzel
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arbeitslos geworden sind, muss sich doch die Situation der
illegalen Immigranten verschlechtert haben.“ Ich bin sprachlos. Er hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Wirtschaftskrise ist in aller Munde, doch
wie sie sich konkret auf die benachteiligten Gesellschaftsschichten auswirkt, hat noch niemand untersucht. Noch am selben Abend setze ich einen ersten
Vorschlag auf. Ich durchforste das Netz erneut nach dem konkreten Thema und stelle erfreut fest, dass wirklich noch fast nichts dazu erschienen
ist. Auch einen Ansprechpartner finde ich. Die Landarbeitergewerkschaft SOC setzt sich vor Ort für die Rechte der illegalen Einwanderer ein.
    Am nächsten Vormittag wähle ich die Telefonnummer des SOC-Büros in El Ejido, dem Ort mit der größtenGewächshausdichte bei
Almería. Ich werde ein paar Mal weitergeleitet und habe dann einen Mann mit dem Namen Spitu Mendy am Hörer. Kurz erkläre ich ihm mein
Projekt. Mittlerweile bin ich so Feuer und Flamme, dass ich das Thema ganz unabhängig von dem Stipendium recherchieren will. Spitu ist Senegalese und
hat früher selber ohne Papiere in den Gewächshäusern gearbeitet. Seit er legal im Land ist, kämpft er für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen der
Afrikaner vor Ort und sagt so markige Sätze wie: „Die Gewächshäuser an der Küste von Almería sind der Wartesaal Europas für illegale Einwanderer.
“ Spitu erklärt mir am Telefon, dass man mit einer Arbeitsgenehmigung eigentlich gar nicht erst nach einem Job fragen brauche. „Die Landwirte vergeben
die Arbeit fast nur ohne Vertrag, weil es für sie billiger ist. Auf den Plantagen hier sind die Löhne so schlecht wie nirgends sonst auf dem spanischen
Acker, dreißig Euro gibt es für einen Acht-Stunden-Tag. Seit Beginn der Wirtschaftskrise bezahlen die Landwirte noch weniger. Denn seit das spanische
Wirtschaftswunder vorbei ist, haben arbeitslose spanische Bauarbeiter vielen illegalen Einwanderern andernorts den Arbeitsplatz in der Landwirtschaft
weggenommen. Ein Großteil ist hierher gekommen. Die Konkurrenz in Almería ist jetzt so groß, dass viele einfach gar keinen Job mehr finden.“ Spitu
bestätigt genau das, was Jaime und ich vermutet haben. Für die nächste Woche vereinbaren wir einen Termin in El Ejido. Ich sage Spitu gleich, dass ich
unbedingt auch mit Betroffenen sprechen will.
    Eine Woche später sitze ich in meinem Auto und fahre wieder die Küstenstraße in Richtung Almería. Nach einem ausführlichen Gespräch im Büro der
Landarbeitergewerkschaft in El Ejido fragt mich Spitu, ob wir ein paar seiner Bekannten besuchen wollen. Auf ein Treffen mit Einwanderern habe ich zwar
gehofft, aber ich bin auch unsicher,wie ich ihnen gegenübertreten soll. Spitu führt mich mitten in die bizarre Landschaft der
intensiven Landwirtschaft. Die Straßen sind auf beiden Seiten von den schmutzigen Plastikplanen der Gewächshäuser begrenzt. Nur manchmal wird die
Monotonie von einem heruntergekommenen Bauernhaus unterbrochen, vor dem eine Reihe junger Männer sitzt. Wir passieren Marokkaner, Osteuropäer und
Schwarzafrikaner, die die Straßen entlanglaufen.
    Vor einem der Bauernhäuser macht Spitu plötzlich halt, eine Reihe von Schwarzafrikanern sitzt vor dem Haus. Er begrüßt die Männer, die auf kaputten
Plastikstühlen oder direkt auf dem Boden sitzen, auf Wolof, einer westafrikanischen Sprache. Dann stellt er mich auf Spanisch vor und sagt, dass ich
Journalistin sei und gern mit ihnen über ihre Situation sprechen wolle. Zu mir gewandt erklärt er, dass sie Freunde aus dem Senegal und aus
Guinea-Bissau seien. Plötzlich fühle ich mich völlig fehl am Platz.
    Freundlich und erwartungsvoll blicken mich die Männer an. Hölzern beginne ich: „Wie lange seid ihr denn schon hier?“ Einer der Jungen, er heißt
Ibrahim, antwortet sofort. Er scheint der Anführer der Truppe zu sein, spricht auch am besten Spanisch. „Ich bin schon seit zwei Jahren hier. Es ist
sehr schwierig für uns, denn wir arbeiten nur manchmal.“ „Wie lebt ihr, wenn ihr nichts verdient?“ Ibrahim zieht die Augenbrauen nach oben und
verzieht den Mund. „Schlecht. Wir helfen uns gegenseitig, so gut wir eben können. Die Kosten für Miete und Essen teilen wir uns, und wer kein Geld hat,
zahlt nichts. Auf der Straße leben soll keiner. Das Schlimme ist aber, dass auf diese Weise keiner von uns Geld nach Hause schicken kann.“ Ibrahim
blickt auf den Boden, mit dem Fuß zeichnet er Kreise in die trockene Erde. „Aber deshalb sind wir

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