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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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ich und war ehrlich geknickt. „Ah, musst dich nicht entschuldigen. Ist ein Hobby von mir, Nationalitätenraten. Nicht so leicht, dein Akzent ist nicht sehr deutlich.“ Nein, musste er wohl auch kaum sein, meine schnörkellose Verhörtechnik reichte vollkommen aus, um mich als übereifrige Deutsche zu enttarnen. Lee freute sich derweil über 100 Punkte im privaten Nationenquiz. „Meine Mutter ist Vietnamesin, mein Vater Schwede. Viel schwerer zu raten“, triumphierte er und bot mir ein Bier an.
    Zwei WeeBee abgekürzte Victoria Bitters später, getrunken aus den knubbeligen Flaschen, die Lee stubbies nannte, war ich wesentlich entspannter und um einiges schlauer. Ich wusste, dass der Makler Tim Plumer hieß, und kannte Preis sowie Besichtigungstermin von Wohnung Nummer 7. Ich hatte erfahren, dass die Polizeiwache seit geraumer Zeit leer stand, und dass einige Katzen, aber keine Hunde im Haus lebten. Außerdem erfuhr ich, dass Mick Gärtner war und Lee Gitarrist, aber derzeit mangels Plattenverträgen – er lachte gut gelaunt – als Nachtwächter arbeitete.
    Vor dem Besichtigungstermin konnte ich kaum schlafen. Natürlich hatte ich ein paar Tage vorher in erprobter Planierraupen-Manier beim Makler angerufen und gesagt, den Termin könne er sich sparen, ich nähme die Wohnung auch unbesichtigt. Tim Plumer war von der Idee wenig begeistert, murmelte etwas, das klang wie „gleiches Recht für alle – see you Saturday“, und hängte auf. Samstagmorgen fegten Gewitterböen durch die Straßen, über den blauen Himmel rasten dicke, graue Wolkenpakete und das Meer war weiß vor Schaumkronen. Die Rettungsschwimmer in ihren gelbroten Kappen standen etwas verloren neben den Flaggen am Strand. Sand flog über die Promenade und an den Klippen donnerte die Brandung. Mir recht, in dem Gewirbel verpasste ich wenigstens keine wohl geformten Zauberwellen. Pflichtbewusst hatte ich im Sydney Morning Herald noch drei andere Wohnungen angestrichen. Ich durfte schließlich nicht alles auf eine Karte setzen, redete ich mir ein, und besichtigte als Erstes ein Apartment, das nett und viel zu teuer war. Im zweiten – Marke lichtfreie Grotte – senkte der Makler ungefragt den abgedruckten Preis, was ich, inzwischen so mutig wie pampig, mit einem „nicht mal umsonst zöge hier ein“ quittierte. Dann stemmte ich mich gegen den Wind von der Strandstraße bergauf zu einem durchaus akzeptablen Quartier, das zu allem Überfluss auch noch Ausblick auf dietosende Brandung bot. Kein Haken? Doch, alle Fenster lagen direkt über der Endhaltestelle der Buslinie, die Abgase, die selbst durch die Ritzen der geschlossenen Fenster drangen, mochten Autofreaks froh machen, für mich waren sie nichts. Jetzt stand nur noch Wairoa 63 auf meiner Liste: „Hop, skip & jump to surf, art deco apartment, 1 bedroom, open plan living/dining, freshly painted, bright & sunny, brand new carpets“ pries der „Herald“. Je mehr Gruseliges ich anschaute, umso paradiesischer schien mir die nie gesehene Nachbarwohnung meines vietnamesisch-schwedischen Gitarristen. Im Windschutz von „Jackies“ orderte ich einen Strong Flat White und drückte mir selbst die Daumen.
    Pünktlich um elf Uhr – die Besichtigung währte großzügige dreißig Minuten – fand ich mich unter der begehrten Adresse ein. Keine Spur von Lee, stattdessen kamen mir mehrere Mitbewerber entgegen, zu erkennen am rastlosen Blick und den knitterigen Anzeigenseiten unterm Arm. In Nummer 7 roch es nach frischer Farbe und Teppichkleber. Die Wände waren cremefarben gestrichen, die Decken weiß, den Teppichboden kannte ich inzwischen nur zu gut: beige gescheckt, eine Art Standardbelag in Wohnungen dieser Preisklasse. Allerdings war der hier ausnahmsweise nicht fleckigmuffig, sondern nigelnagelneu. Dreiflügelige Fenster, Himmel, eine kleine Küchenzeile, ein Schlafzimmer, in das mindestens zwei Futons passten, ein Bad mit Wanne, ein so genannter sunroom , vor dessen Fenster der Südwind die Zweige einer knorrigen Akazie schüttelte. Meine Knie zitterten vor Aufregung. Genau hier wollte ich wohnen. Balkon und Meerblick waren längst von der Checkliste getilgt. Ich beugte mich über den Bewerbungsbogen. Referenz des letzten Vermieters? Ich versuchte mir vorzustellen, wie lange es wohl dauern würde, bis mein Hamburger Vermieter mir eine Sie-zahlte-immer-pünktlich-ihre-Miete-Bestätigung auf die Südhalbkugel geschickt hätte. Er würde es tun, irgendwann,warum auch nicht? Bis dahin allerdings wohnte in

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