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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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nach einer Weile beruhigten sich alle etwas und tranken noch ein Glas. Ein paar Unabkömmliche gingen zurück in ihre Büros, die meisten allerdings feierten heiter weiter. Schließlich war Melbourne Cup Day. Cheers.
    „Und das war erst der Anfang“, meinte ein paar Stunden später lachend Rob zu mir. Sein Angebot, mich mit zurück nach Bondi zu nehmen, hatte ich gerne angenommen. In seiner Firma war natürlich auch Cup Day gewesen, aber er hatte sich beim „bubbly“, wie Sekt auf Australisch gern liebevoll genannt wurde, zurückgehalten. Wie, gab es noch mehr Pferderennen dieser Güte? „Nein, das nicht“, lachte er. „Aberwarte, bis du nächstes Jahr ein Grand Final erlebst, oder den State of Origin oder ein Spiel von Collingwood.“ Keines der drei genannten Ereignisse hatte natürlich mit jener Sportart zu tun, die ich aus Zeiten kannte, da St. Pauli noch in der zweiten Bundesliga kickte. Es ging vielmehr um drei Sorten Rugby, einen Mannschaftssport, der mit einem stark eiförmigen Geschoss, eben dem Rugby, gespielt wurde. Wenn ich Rob richtig verstanden hatte, war das Ziel in allen drei Fällen, viele Punkte zu machen. Abgesehen davon jedoch schienen Rugby und League und Australian Rules Welten zu trennen. Meinte jedenfalls Rob, der als Exil-Melbourner „Rules“ bevorzugte, eine Sportart, die offenbar nur Australier beherrschten. Um es noch komplizierter zu machen, wurde nicht jede Variante in jedem Bundesland gleich ernst genommen. In Victoria, Perth und Adelaide zum Beispiel, klaren Rules – alias „Footy“ – Territorien, war – Abkürzungen auch hier unabdingbar – eben AFL Trumpf. In New South Wales’ Hauptstadt fand man Rules lange Zeit so mitreißend, wie etwa jemandem beim Schnorcheln zuzusehen. Dann sollte der Funke künstlich entfacht werden: Jemand kaufte in Südmelbourne ein komplettes Team, das in Schwierigkeiten steckte, und verpflanzte es nach Sydney. Ich lauschte ungläubig. Das wäre ja, als käme Herr von Wichtig daher, kaufte St. Pauli und ließe die Jungs künftig in Neckarsulm oder Saarlouis spielen. Brutal. So richtig feurige Begeisterung, sagte Rob bedauernd, hätten besagte Swans auch zunächst nicht verursacht. Vielleicht lag das daran, mutmaßte ich, dass sie ständig gegen Clubs mit viel gefährlicheren Namen wie Bulldoggen, Krähen und Löwen kämpfen mussten? Rob wies mich mit einem gespielt zornigen Funkeln seiner grünen Waffen zurecht: „Shut up!“ Tiernamen waren überhaupt beliebt: Wenn das Nationalteam spielte, praktizierten sie Union, und dann sagte niemand, Australien spiele gegen Neuseeland, sondern es hieß: Die Wallabies trafen die All Blacks. Das fand ich sympathisch,Wallabies mochte ich. Aber was war nun mit Fußball? Der Fußball, den ich kannte, hieß in Australien „soccer“. Und das, so Rob, war was für Kinder und Softies.
    Wir hatten uns auf dem Balkon der „Icebergs“-Bar über dem Schwimmbad zu einem letzten Bier niedergelassen. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich wirklich an diesem Abend – schließlich war immer noch Cup Day – die Unterschiede all der Ballspiele wirklich begreifen würde. Ich bettelte um eine simple Definition, die es natürlich nicht gab. Aber Rob war bereit, meine Aufklärung in Sachen Ballsport zu vertagen. Wir würden eines der nächsten Spiele zusammen sehen, und er mir „live“ vermitteln, weshalb man mit einem Rugby vorwärts nur kickte und rückwärts nur warf. Ich nickte, dankbar für den Aufschub, und versprach, dann auch bestimmt gut aufzupassen.
    Bis dahin allerdings würde ich meine Lernfähigkeit noch auf konkretere Art beweisen müssen. Teil A und B des Lebensretter-Examens standen an, und das machte mich etwas nervös. Meine letzte bedeutsame Prüfung war mein Führerschein gewesen, und das war lange her. Zudem fand diese Wissenskontrolle nicht in meiner Lieblingssprache statt und strotzte vor einander zum Verwechseln ähnlichen Abkürzungen. Um alles noch etwas aufregender zu gestalten, hatten unsere Ausbilder uns in den zehn Tagen vor der eigentlichen Prüfung zu diversen Vorbereitungstests eingeladen. In denen, so die Idee, könnten wir uns selbst und unser Wissen zwanglos zur Probe vorprüfen. Immerhin waren wir, die „Bronzies“, inzwischen ein eingeschworenes Team. Dabei war die Gruppe bunt zusammengewürfelt: Wir waren zwischen 22 und 45, hatten Anwälte, Arbeitslose, Büromenschen, Studenten, eine Mutter, einen Wurstfabrikanten, zwei Computerfreaks, einen Yoga- und künftigen Surflehrer und

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