Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
Vom Netzwerk:
einen Makler im Kurs. Aber eigentlich redeten wir nie über Jobs. Uns verband anderes: unsere Dienstage, das Training am Strand undnatürlich drei oder vier so feuchte wie fröhliche Barbecue-Partys. Auf einer der letzteren hatte die kleine Karen dem beharrlichen Werben von Sam nachgegeben. Seither fiel es beiden sichtlich schwer, für länger als zwanzig Minuten die Hände voneinander zu lassen. Das war ihr einziges Problem am Abend von Testteil A. Ansonsten strahlten die zwei, als hätten sie erstens ihre Prüfung längst bestanden und zweitens einen Satz Leuchtbojen verschluckt. Es war rührend. Wir anderen waren etwas bleich und unruhig, wobei ich nicht genau wusste, wer nervöser war: unsere Ausbilder oder wir. Kathy verteilte Weingummi und Schokolade, und Sean sagte ein bisschen zu häufig „she’ll be right, mate“, „she’ll be right“ und „no worries“, obwohl er doch eigentlich Engländer war. Nur der leise Alex blieb wie immer gelassen und schwebte beruhigend nickend durch den Raum. Teil A verlangte, dass wir einen kniffligen Multiple-Choice-Test mit 56 Fragen ausfüllten und dabei weniger als drei Fehler machten. Ich riss mich zusammen, erkannte in letzter Minute zwei fiese Fangfragen und schnaubte. Als alle abgegeben hatten, gingen die beiden etwas dickbäuchigen Prüfer unsere Bögen durch. Wer zu viele Fehler hatte, konnte für den Rest des Abends andere Pläne machen. Nur einer fiel durch, wir Übrigen durften unser eher praktisches Können beweisen: Notrufzeichen deuten und signalisieren, im richtigen Rhythmus beatmen und Herzmassagen verabreichen, allein, zu zweit und zu dritt wiederbeleben, Sauerstoffgeräte bedienen, Halskrausen und Druckverbände anlegen, ein Funkgerät auseinander- und wieder zusammenbauen und verständliche Kommandos hineinbrüllen. Die Prüfer waren alles andere als leicht zufriedenzustellen. Immer wieder zogen sie sich flüsternd in eine Ecke zurück, kamen zurück zur Gruppe und ließen einige von uns jemand anderes wiederbeleben. Mehrere Kilogramm Schokolade später lehnten wir vor zahlreichen Bieren im Beach Road Hotel an der Theke. Wir hatten den ersten Teilüberstanden und uns damit für Part B am Sonntag qualifiziert. „Oh my God!“ stöhnte Christine und fasste damit treffend zusammen, was alle dachten. Ich rieb mir die Falten aus der Stirn und kühlte mich mit einem Coopers ab. Das war anstrengender als drei run-swim-runs mit anschließender Bergung eines bewusstlosen Schwergewichts aus hohem Surf. Nur Sam und Karen lächelten glücklich und entspannt, als sei das alles ein Kinderspiel gewesen.
    Mich beeindruckte beim Rugby, ganz gleich welche Sorte es war, die da über die Großbildleinwand des Bondi Hotels flimmerte, am meisten, wenn die Herren mit Köpfen und Schultern aufeinander losgingen. Sechs Spieler formierten sich zu einer Pyramide, die Arme über die Schultern des Nachbarn geschlungen, verhakelten sich ineinander, reckten die Hintern in die Höhe und schienen sich teamweise umschubsen zu wollen. Dabei schoben je zwei von den Seiten nach. Unterdessen wurde angeblich unter diesem Haufen schwerer Kerle der Ball weitergegeben. „Scrum heißt das“, klärte mich Rob auf, der etwas nervös war, „und pass auf den Ball auf, da unten, da jetzt.“ Ich dachte, er sei angespannt, weil er lieber Rules guckte und die Auseinandersetzung auf dem Schirm Union war. Aber in Wirklichkeit war er aufgeregt, weil „wir“, die Wallabies, immerhin gegen die Springböcke, also Südafrika, spielten. Und da waren Siege Pflicht.
    Werfen, rennen, den Gegner in Ballbesitz festhalten und zu Boden zerren waren die Hauptaktionen auf dem Feld. Mit Fußball, den ich kannte, hatte das auch bei längerem Hinsehen rein gar nichts zu tun. Deshalb hieß Fußball ja auch „soccer“ und nicht „footy“, argumentierte Rob. Ich wusste, es war völlig sinnlos aufzubegehren und tat es trotzdem. „Unseren football , also Fußball in Europa, spielt man immerhin mit den Füßen und nicht mit Rempeln und Werfen“, plädierte ich. Und auch Tore würden geschossen. Nicht indem, wie da eben auf dem Schirm vorgeführt wurde, ein Spieler wie vomTeufel verfolgt losrannte und sich dann hinter der Torlinie theatralisch mit dem Ball auf den Rasen warf. Ich gab auf, was nützten schon Vergleiche? In diesem Spiel gab es ja nicht mal einen Torwart. Neue Kerlehaufen wurden gebildet. Einer griff sich den Ball, preschte vor und ließ gleich drei Gegner von sich abprallen, ehe er auf dem Weg zu den

Weitere Kostenlose Bücher