Ein Jahr in Paris
Beispiele?
Ségolène Royal (Präsidentschaftskandidatin der Parti Socialiste
für die Wahl 2007), weil sie sich als Familienministerin
schon im Wochenbett wieder an die Arbeit machte.
Colette , mit vollem Namen Sidonie-Gabrielle Colette (Schriftstellerin und erstes weibliches Mitglied der Akademie Goncourt), weil sie mit 62 einen sechzehn Jahre jüngeren Mann heiratete.
Die junge Frau , die im Juli 2005 mit rot lackierten Zehen in einem Café an der Rue de Belleville frühstückt (zwei petits noirs und fünf Zigaretten) und dazu die Einleitung der französischen Ausgabe von Kants „Kritik der Urteilskraft“ liest, weil sie es trotzdem noch fertigbringt, fünfmal angesprochen zu werden.
Jeanne-Antoinette Poisson , besser bekannt als Madame de Pompadour (Königin der Mode, Maitresse Ludwigs XV. und kluge Politikerin ohne Titel), weil ihr Stil so überzeugend war, dass Donatella Versace unlängst eine ganze Kollektion nach ihrem Vorbild entwarf.
Martine Monteil (Tochter, Enkeltochter und Ehefrau eines Polizisten), weil sie als erste Frau überhaupt im Herbst 2004 zur Chefin der französischen Kriminalpolizei ernannt wurde.
Alix (Galeristin und Mitbewohnerin), weil sie trotz behördlichen Verbots weiterhin im Tanga am Seine-Strand entlangspaziert und für den Ernstfall 30 Euro darin bereithält. Ihr Motto: „Sous les pavès, la plage!“ Leider ist bis heute kein Flic aufgetaucht, um sie auf die drohende Unfallgefahr hinzuweisen. 31
Simone de Beauvoir (Schriftstellerin), weil sie als gebürtige Pariserin alles über Bord warf, was eine Frau bis dahin darstellen sollte. Motto: Man wird nicht als Pariserin geboren, man wird dazu gemacht.
Madame Juliette Récamier (Salondame und schönste Frau ihrer Zeit), weil sie die einzige Frau war, die sich von Napoleon nicht beeindrucken ließ und im Gegenteil sogar seine Gegner förderte.
Kitty (pensionierte Ballerina und Nachbarin), weil sie auch mit 90 noch keine zehn Pferde dazu bringen werden, das Haus ohne Dior No. 28 auf den Lippen zu verlassen.
Justine Lévy (Schriftstellerin und Tochter von Bernard Henri Lévy), weil sie ihre Rache an Carla Bruni, die ihr den Mann weggeschnappte, als Buch veröffentlichte und anschließend mit dem unschuldigsten Lächeln behauptete, es sei „nur“ ein Roman.
Und dies ist nur eine willkürliche Auswahl. Sie haben also Recht, wenn Sie es für etwas gewagt halten, einfach so eine Pariserin werden zu wollen. Und natürlich stellte ich es einigermaßen dumm an, solange ich glaubte, es ginge dabei um Äußerlichkeiten. Dann begriff ich, dass es eine Frage der Haltung war. Ich stand gerade in einer miserabelausgeleuchteten Kabine und hatte mich in genau das gleiche Kleid hineingezwängt, das ich kurz zuvor an einer Pariserin bewundert hatte. Der Unterschied hätte nicht größer sein können. Ich sah aus wie ein krankes Zebra. Nie wieder, schwor ich, würde ich etwas Geringeltes tragen.
Doch die Zeit drängte. Ich hätte es nicht zugegeben, aber wenn Georg käme, dann wollte ich ihm bereits als waschechte Parisienne gegenübertreten. Es gab da etwas zu beweisen. Und er, da er noch mein altes Ich kannte, war der Einzige, der mir diesen Beweis meiner Wandlung erbringen konnte. Aber es haben schon ganz andere Frauen versucht, ihre mittlere Identitätskrise mit Kleiderkäufen und Friseurbesuchen zu überdecken. Und während ich so schlecht beleuchtet vor dem Spiegel stand und die Staubmäuse auf dem Fußboden betrachtete, überkam mich plötzlich eine große Sehnsucht nach mir selbst.
28 Panoplie bedeutet (Ritter-)Rüstung oder auch Waffensammlung.
29 So nennt man in Frankreich das Handy, manchmal auch den Laptop. Aber der ist hier nicht gemeint.
30 Colette in der Rue Saint-Honoré war der erste concept store , der in Paris eröffnete, und ist heute eine Institution. Falls Sie dorthin gehen sollten, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder nicht auf die Preisschildchen gucken oder gleich die Kreditkarte zu Hause lassen. Für einen petit noir im Café im Untergeschoss sollte es aber auf jeden Fall reichen.
31 Die Stadt sei „aus Sicherheitsgründen“ zu einer Regelung gezwungen, so der stellvertretende Bürgermeister Pascal Cherki in „Le Parisien“. Das freizügige Outfit am Seine-Strand hätte „zu Versuchungen und gefährlichem Verhalten führen können, besonders, weil wir uns am Ufer eines Flusses befinden“, sagte er der Zeitung, ohne die Äußerung weiter zu erläutern.
Dezember – Pizza Frutti di Mare
8.
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