Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Titel: Ein Jahr ohne Juli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Kessler
Vom Netzwerk:
gesehen!«
    Sie starrt noch ein bisschen länger, als ob sie meine Gedanken zu ergründen versucht. Da begreife ich es – es ist ein Scherz! Sie wird es zugeben, jede Sekunde. Da steckt doch Juli dahinter. Ich hätte schon viel eher darauf kommen können, dass sie so etwas im Schilde führt. Sie liebt Streiche!
    »Das ist alles ein Scherz, stimmt’s?«, sage ich und spüre, wie ich mich vor Erleichterung entspanne. Ich lächle sie an.
    »Dachte ich es mir doch«, sagt die Frau. »Hör mal, ich habe keine Ahnung, woher du deine Informationen hast, aber ich finde es nicht lustig.«
    »Nein –« Ich versuche das Missverständnis richtigzustellen. »Ich wollte sagen – ich dachte, Sie treiben einen Scherz mit mir.«
    Die Frau stößt ein heiseres Lachen aus. » Ich soll mit dir einen Scherz treiben?«, fährt sie mich an. Dann schüttelt sie den Kopf. »Verschwinde jetzt«, sagt sie. »Oder ich hole die Polizei.«
    Und damit schließt sie die Tür.
    Ich klopfe noch mal.
    »Ich meine es ernst«, ruft sie mit bebender Stimme durch die Tür. »Ich ruf die Polizei. Dann kriegst du Ärger.«
    Hier kann ich nicht bleiben. Die Sache wird ja immer schlimmer. Ich sehe auf die Uhr. Schon nach zwei. Sie fahren ohne mich los!
    Ein Mann, der mir vage bekannt vorkommt, geht am anderen Ende des Korridors in ein Apartment. Ich glaube, er ist ein Freund von Mr Leonard.
    »Entschuldigung!«, rufe ich. Er dreht sich um, und ich renne zu ihm hin. »Ich suche Juli«, sage ich.
    »Juli?«
    »Die Leonards. Juli und Mikey und ihre Eltern. Sie haben hier im Gebäude ein Apartment. Kennen Sie Julis Vater nicht?«
    »Doch, schon. Aber …« Der Mann sieht mich mit einem echt seltsamen Blick an. Als ob ich ein bisschen beschränkt sei und eigentlich nicht allein auf die Menschheit losgelassen werden dürfte. Er macht an dem Riemen seiner Tasche herum und hängt sich das Ding über die Schulter.
    »Haben Sie sie gesehen?«, frage ich etwas ungeduldig. Es geht um Sekunden – ich bin ja schon zu spät. Wahrscheinlich sind sie sowieso schon ohne mich losgefahren. Es ist fast Viertel nach zwei.
    »Also, hier oben habe ich sie nicht gesehen«, erwidert er. »Hast du es bei ihrer Wohnung versucht?«
    »Da bin ich doch gerade gewesen!«, rufe ich, und vor Verzweiflung schnürt es mir den Hals zu. »Sie sind nicht da. Stattdessen ist da eine Frau, die ich noch nie gesehen habe. Haben Sie uns nicht im Gang stehen sehen?«
    »Wie hätte ich euch sehen sollen?«, sagt er lachend. »Schließlich war ich nicht unten.«
    »Bitte? Aber wir waren doch gerade da. Dort drüben.« Warum spricht heute jeder in Rätseln zu mir? Was ist hier eigentlich los?
    Der Mann nimmt die Tasche wieder von der Schulter und stellt sie ab. Er holt Luft, dann stößt er den Atem durch aufgeblasene Backen wieder aus und schaut weg.
    »Was ist denn?«, frage ich.
    »Hast du die Familie in letzter Zeit gesehen?« Er macht ein verbissenes Gesicht.
    »Ja!«, schreie ich. »Vor einer halben Stunde war ich noch mit Juli zusammen, und wir wollten zusammen was unternehmen. Jetzt hab ich sie wahrscheinlich verpasst. Wo sind sie? Wissen Sie es?«
    »Pass auf, warum versuchst du es nicht einfach noch mal an der Wohnung?«
    »Aber ich war gerade dort! Das sag ich doch die ganze Zeit. Und seit wir hier stehen, ist niemand gekommen oder gegangen!«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil wir sie sonst gesehen hätten!« Was hat dieser Typ für ein Problem? »Also, danke für Ihre Hilfe«, sage ich und gehe. »Ich find sie schon.«
    »014«, sagt er.
    Ich drehe mich um. »Was?«
    »Ihre Wohnung. 014. Erdgeschoss.«
    »Was soll das?«, frage ich kopfschüttelnd. »Das stimmt doch nicht. Sie sind in 110.«
    »Versuche es einfach«, sagt er. Er schüttelt den Kopf, stößt seine Tür auf und geht hinein. »Kaum zu glauben, dass du nicht weißt, dass sie jetzt eine andere Wohnung haben. Sie ist doch deine Freundin, oder nicht?«, setzt er hinzu und schließt die Tür hinter sich.
    Wie schon die ganze Zeit verstehe ich nur Bahnhof, deshalb zerbreche ich mir nicht den Kopf.
    Da ich am anderen Ende des Korridors bin, beschließe ich, diesmal die Treppe zu nehmen. Am besten gehe ich gleich nach Hause. Bestimmt sind sie ohne mich abgefahren. Der Mann hat ganz offensichtlich keine Ahnung, wovon er spricht. Die Leonards haben immer 110 gehabt. Vielleicht hat er an eine andere Familie gedacht.
    Auf dem Weg nach draußen lasse ich den Blick über den Parkplatz gleiten. Keine Spur eines blitzenden roten

Weitere Kostenlose Bücher