Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
Namen des Käufers sagen.« Er riß das Messer aus der linken Tasche. Er hielt es auf Augenhöhe, flach, keine dreißig Zentimeter vor Neals Gesicht.
Die Spitze tanzte glitzernd vor Neals Augen. Ihm war, als läge ein Sack Zement in seinem Bauch und als preßte ihm ein Eisenring die Brust zusammen. Er ließ die Angst hochsteigen, dachte an einen Schnitt quer durchs Gesicht, die offene Wunde, eine Narbe fürs Leben… Er hatte Tränen in den Augen.
»Sie ist tot, Colin. Sie muß ‘ne Überdosis genommen haben.«
Colins Hand sank ein wenig herunter, nicht viel, aber gerade genug, daß Neal sich umdrehen und wegrennen konnte. Er stürmte durchs Wohnzimmer, schlug einen scharfen linken Haken in die Küche und hatte gerade genug Schwung, um auf den Tresen zu springen.
Colin war eine halbe Sekunde hinter ihm. Als er mit Karacho auf den gebohnerten Küchenfußboden schoß, rutschten seine schicken Lederschuhe unter ihm weg. Er landete auf dem Rücken, und sein Kopf knallte auf das blitzblanke Linoleum. Neal hob den Mop mit beiden Armen über den Kopf und rammte dann das spitze Ende in Colins Eier, als wollte er eine Flagge auf den Gipfel des Mount Everest setzen. Colin krümmte sich grunzend in Embryonalstellung zusammen.
Neal schnappte sich das Messer und steckte es in die Tasche.
Dann ging er hinüber zum Kühlschrank und holte die Pfanne heraus, die er ins Eisfach gelegt hatte. »Crisp«, schrie er, so gut er eben Colin nachmachen konnte, »beweg deinen Arsch hier rauf!«
Crisp durchbrach die dünne Hintertür und sah Colin auf dem Boden liegen. Neal, der die Pfanne schwang wie Jimmy Connors seinen Schläger, bekam er nie zu Gesicht. Das vereiste Küchengerät erwischte ihn genau auf der Nase und zermatschte Knochen und Knorpel. Crisp war weg, bevor er auf dem Boden aufschlug, was auch vermutlich gut so war, denn er landete genau auf dem Gesicht.
Neal eilte ins Schlafzimmer, warf sich Allie im Feuerwehrgriff über die Schultern und trug sie keuchend die Hintertreppe zur Garage hinunter. Er hatte nicht viel Zeit, bis Colin sich berappelt hätte und nach ihm suchen würde. Messer oder nicht, Mann gegen Mann, Colin würde ihn plattmachen. Also setzte Neal alles daran, dafür zu sorgen, daß es gar nicht erst zu einem Kampf kam. Er lehnte Allie gegen die Garagenwand, während er in seiner Hosentasche nach dem Schlüssel suchte. Seine Hände zitterten. Und zu allem Überfluß fing Allie an, zu sich zu kommen.
Er riß die Tür zur Garage auf, schleppte sie zum Keble, öffnete die Beifahrertür und ließ sie in den Sitz plumpsen. Jeden Augenblick rechnete er mit Colin.
»Was is’n los?« fragte Allie verschlafen.
»Wir machen einen Ausflug.«
»Das is schön«, sagte sie fröhlich und schlief wieder ein.
Ja, das ist schön, dachte Neal, wenn ich dieses Ding ankriege.
Colin befühlte seine Ausstattung, die noch vollständig vorhanden zu sein schien, obwohl dieser Yankee-Scheißer echt versucht hatte, ihn zu entmannen. Trotzdem tat ihm sein bester Freund mächtig weh, und sein Kopf fühlte sich an wie sonntag-morgens. Er raffte sich auf und schleppte sich zu Crisp hinüber, der still und steif dalag wie eine Klosterschülerin.
»Komm, Mann, steh auf«, sagte Colin und stupste Crisp mit dem Fuß an.
Crisp rührte sich nicht. Nachdem Neal so ziemlich alles an Schlüsseln ausprobiert hatte, erwischte er endlich den fürs Zündschloß. Er paßte, als wäre er dafür gemacht worden. Neal trat aufs Gas und wartete darauf, daß der dämonische Kleinwagen zu höllischem Leben erwachte. Statt dessen war nur rhythmisches Husten zu hören. Er versuchte es noch mal. Wieder nichts. Neal sagte ein paar Worte, die nicht mal seine Mutter ihm beigebracht haben konnte und versuchte es wieder. Crisp rührte sich nicht. Colin schüttelte ihn.
Er kam zu sich. »Meine Nase! Was is passiert?«
»Das Arsch Neal hat draufgehauen. Schnappen wir ihn uns!«
»Mach du das«, jammerte Crisp und ließ sich wieder auf den Boden sinken. »Ich hab genug von ihm.«
Colin trat ihn wütend in die Seite und hetzte die Treppe hinunter. Dabei wackelten seine demolierten Eier, und er entschied sich, Neal zwei oder drei Tage lang zu quälen. Dann hörte er das altbekannte Geräusch eines nicht anspringenden Wagens aus der Garage. Wenn es keinen Gott gibt, dachte er, dann jedenfalls mit Sicherheit einen Teufel.
Der Keble sprang einfach nicht an, obwohl Neal das Gaspedal ganz runtergetreten hatte. Die Kiste hustete und krachte, und
Weitere Kostenlose Bücher