Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
leid.
Also sagte er statt dessen: »Ist schon okay. Ist schon okay. Es macht nichts. Es ist vorbei. Es ist vorbei.«
»Ich werde niemals zurückgehen.«
»Mußt du nicht. Mußt du nicht«, summte er leise, bis sie eingeschlafen war. Dann legte er sie neben sich. »Mußt du nicht.«
Verrat, dachte er, ist das Ende jedes Undercover-Einsatzes.
31
»Was glaubst du, hat er vor?« fragte Levine Graham. Sie verschwitzten einen heißen Nachmittag im New Yorker Büro. »Er hat sich nicht gemeldet; er ist aus dem Hotel ausgezogen; und wenn er in dem sicheren Haus ist, antwortet er nicht. Er ist verschwunden. Was hat er vor?«
Graham wünschte sich, er wüßte es. Seit Neals nächtlichem Telefonanruf kam er beinahe um vor Sorgen. Er hatte alle britischen Zeitungen gelesen, aber von einem Attentat oder einem Mord hatte nichts dringestanden. Er hatte hundert Mal in Keyes’ Appartement angerufen.
Neal war verschwunden – untergetaucht –, genau wie er es ihm beigebracht hatte. Aber warum war er nicht wieder aufgetaucht? Weil er immer noch glaubte, daß Levine ihn reinlegen wollte, daß es ein Leck in der Organisation gab? Warum hatte er sich dann nicht bei seinem guten alten Dad gemeldet? Ihn bei McKeegan angerufen? Glaubt er, daß ich es bin? Nein, das konnte einfach nicht sein.
Vielleicht wurde Neal irgendwo gefangen gehalten. Aber dazu war Neal Carey zu gut. Er wäre geflohen und hätte das Mädchen befreit. Aber wo steckte er?
Vielleicht hatte Neal auch entschieden, daß eine miese Tour Revanche herausforderte. Oder war der kleine Idiot etwa weich geworden und hatte sich verliebt? Mein Gott.
»Uns bleiben zehn Tage?« fragte Levine.
»Elf«, sagte Lombardi. »Glauben Sie, daß Sie wieder von ihm hören? Vielleicht hat er Allie und versucht, einen eigenen Deal zu machen.«
»Vielleicht«, sagte Graham.
Levine starrte ihn wütend an.
»Neal Carey ist eine furchtbare Nervensäge, aber er ist kein Anscheißer«, teilte Ed ihnen förmlich mit. Ed ist sauer, dachte Graham.
»Hey, Sie ham einen Bekloppten geschickt, um eine Bekloppte zu fangen«, sagte Lombardi. »Vielleicht setzen Sie sich gerade beide ‘nen Schuß.«
Graham zeigte ihm den Finger.
»Hey, hey…«
»Seid ihr beide fertig?« fragte Ed. »Wir haben hier ein Problem zu lösen.«
Lombardi stand auf. »Nein. Sie haben ein Problem zu lösen. Ich habe mein Problem in Newport. Einen sehr wütenden Senator.«
Graham reichte Lombardi sein Seersucker-Jackett.
»Also, fahren Sie nach Newport«, sagte er. »Rufen Sie uns an, wenn Allie daheim ist. Haben Sie schon unter dem Bett nachgesehen?«
»Das reicht«, sagte Levine.
Lombardi sah Graham streng an.
»Vielleicht«, sagte er, »kriegen Sie, wenn es vorbei ist, noch ‘nen Job im Casino. Die Leuten könnten Münzen in Ihren Mund stecken…«
»Und an meinem Arm ziehen. Ist das alles, was Ihnen einfällt?«
»Hey, Sie sind doch hier der Clown.«
Lombardi nahm seine Aktentasche und ging.
»Ich hätte Jura studieren sollen«, sagte Levine.
»Es ist nie zu spät.«
Ed ließ sich in seinen Schreibtischstuhl fallen und blätterte zum tausendsten Mal in der Chase-Akte. Dann sagte er: »Was verheimlichst du mir, Joe?«
»Nichts.«
»Wo ist der Junge?«
»Weiß ich’s?«
»Weißt du’s?«
»Nein!« sagte Graham empört. »Hey, guck mal aus dem Fenster.«
»Wieso, sind Neal und Allie da draußen?«
»Nein, guck, ob dieser blöde Lombardi schon raus ist. Der Depp hat seine Brieftasche vergessen.«
»Gut.«
»Komm schon.«
Ed sah ihn an. »Er muß noch im Fahrstuhl sein.«
»Ich lauf ihm nach. Ruf runter, wenn er unten rauskommt.«
»Das sind sieben Stockwerke.«
»Du hast doch kräftige Lungen. Spendier ihm einen deiner Kung-Fu-Schreie.«
»Nur zu gern«, sagte Ed, als Graham das Zimmer verlassen hatte.
Graham drückte den Fahrstuhlknopf. Kaum war die Kabine da, fing er an zu arbeiten. Sieben Stockwerke sind mehr als ausreichend, um sich die Nummer einer Kreditkarte einzuprägen. Aber er war nicht mehr so jung wie früher.
Colin schwitzte, und das lag nicht an der Hitze.
Während er mit dem Motorrad durch die Stadt fuhr, spürte er tausend Schlitzaugen in seinem Rücken. Er sah blitzende Messer und Hackebeilchen vor sich. Natürlich hatte er keinen Grund dazu, und das wußte er auch. Er hatte sie abgehängt, als er im East End untergetaucht war, aber er hatte trotzdem Schiß. Also sah er sich dreimal mehr um, ob ihm auch wirklich niemand um drei Uhr morgens in die
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